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Das helle, metallische Klirren des Bestecks, das sich in der Ferne mit einigen Wortfetzen zu einem hallenden Raunen mischt, erinnert an den Tumult in einer überfüllten Kantine. Irgendwo scheppert eine Pfanne, kratzt eine Kelle über den Boden eines Topfes, überall klappert Geschirr. Ich habe keinen Hunger, nicht einmal Appetit, mein Mund ist ausgedörrt, und ich spüre ein Würgen im Hals. Ich weiß nicht, ob ich sitze oder liege, fühle mich gefesselt und habe keine Ahnung, wie ich in diese Lage gekommen bin. Habe keine Ahnung, wer ich bin. Sehen kann ich nichts, selbst wenn ich versuche, die Augen zu öffnen, ist alles in einen dichten weißen Nebel gehüllt, als wälze sich ein dicker Wrasen aus der Küche in den Speisesaal, der merkwürdig niedrig sein muss, mein Kopf stößt gegen die Decke oder hat sie bereits durchbrochen und steckt nun darin fest. Mein Kopf ist riesig und schwer, der Schädel wie mit Watte ausgeschlagen, der Rest des Körpers eine bleierne formlose Masse, die Muskeln gehorchen mir nicht, ich habe keine Arme, um mich zu wehren, ich habe keine Beine, um wegzulaufen, ich habe keine Stimme, um nach Hilfe zu rufen. Und das Herz? Wenigstens das Herz schlägt noch. Die Stimmen, eher ein fernes Gemurmel, hallen in einer mir unbekannten Sprache, und ich vermag es nicht, den Kopf in ihre Richtung zu drehen. Dann klimpert wieder das Besteck, nun ganz nah hinter, über und neben mir, so nah, dass ich die Kälte des Metalls auf der Haut zu spüren glaube. Wieder öffne ich die Augen, starre in den Novembernebel, doch als kurz darauf der weiße Stoff von meinem Gesicht gezogen wird, wie ein Leichentuch, denke ich noch, werde ich von einem gleißenden Licht geblendet. Für einen Moment ist alles schwarz, flackert dann, als flamme eine Glut auf den Innenseiten der zuckenden Lider plötzlich auf, rot und orange, doch auch als sich meine Augen endlich an die Helligkeit gewöhnt haben, bleibt das Bild noch eine Weile diffus. Dann aber schält sich aus den milchigen Schwaden ein Kopf, vermutlich der des Kochs, obwohl mich die grüne Mütze stutzig werden lässt. Er hat sich über mich gebeugt, sein Gesicht steht direkt vor meinen Augen, die dunklen Brauen berühren einander über der Nasenwurzel, wie die Schwingen eines großen Vogels, der Rest des Gesichts ist von einem grünen Mundschutz verhüllt, was einen bedrohlichen Eindruck macht. Ich starre in die fremden Augen, begreife nichts, dann schwebt der Vogel über einer weiten Schneefläche davon, ich erkenne die Linie, wo die weiße Wand die weiße Zimmerdecke berührt und der Schatten entlang der Kehlung einen Horizont bildet, der langsam im Nebel verschwindet. Vom blendenden Weiß wird mir schwarz vor Augen, der Boden schwankt, und mir fallen die Lider zu. ...Ein Mops kam in die Küche und stahl dem Koch ein Ei... Die Worte kommen aus dem Nichts, sind plötzlich da, auch sie haben einen merkwürdigen Hall, sind aber deutlich zu verstehen, ständig wiederholen sie sich, vermischen sich mit ihrem Echo und lassen sich nicht vertreiben, ...Ein Mops kam in die Küche...Ein Mops kam in die Küche ...der Rhythmus hämmert im Hirn, bis meine Finger den Druck einer fremden Hand spüren, sie ist kalt und fühlt sich stumpf an, und doch hoffe ich in diesem Moment, dass der Albtraum nun zu Ende ist. Ich versuche, den Druck zu erwidern, irgendwann, so erinnere ich mich, war das so abgesprochen worden, doch ich bin mir nicht sicher, ob meine Kraft dazu ausreicht. Der Anästhesist, es muss der Anästhesist sein, der jetzt meinen Namen sagt und also mich meint, ich will ihn ansehen, versuche den Kopf zu drehen, spüre aber einen Widerstand, mein Schädel steckt in einer Art Schraubstock fest, wie angeblich die geöffneten Köpfe von Affen in den Tischen gewisser asiatischer Restaurants, gleich wird jemand zum Gourmetlöffel greifen ... Zum Glück fällt mir in diesem Moment das Wort Stereotaxie ein. Irgendwann in der Vorbesprechung war es gefallen. Stereotaxie, ein schwieriges Wort, ich hätte freilich auch Folter sagen können, doch dass es mir eingefallen ist, gibt mir trotzdem Halt, ich versuche es auszusprechen, höre a