Fragen der Leitung, also der Koordination gemeinsamen Handelns, seiner Ziele, Absichten und leitenden Bilder, sind in der Praktischen Theologie immer schon bearbeitet worden. Wie ein Gottesdienst, wie die Konfirmand:innenarbeit oder ein Gemeindekreis zu leiten ist, das gehört seit jeher und selbstverständlich zur Ausbildung von Diakonen, Katechetinnen und Pfarrer:innen. Das Thema dieses Buches jedoch, die Leitung einer diakonischen oder kirchlichen Organisationim Ganzen ist wissenschaftlich-theologisch bis in die 1990er-Jahre kaum bedacht worden. Zwar hat die Praktische Theologie immer wieder »Kirchentheorien« ausgearbeitet, vor allem dann, wenn die kirchliche Institution elementar infrage gestellt wurde, etwa nach dem Ende des Staatskirchentums (1919). Auch was eine »Gemeinde« ist und sein soll, wird seit den 1880er-Jahren immer wieder intensiv reflektiert. Die inhaltlichen und methodischen Fragen, wie eine solche Gemeinde, wie auch ein Kirchenkreis gezielt zu gestalten ist, stehen allerdings erst seit den 1990er-Jahren auf der praktisch-theologischen Tagesordnung.
Wie ist dieser Befund zu erklären? Lange Zeit sind die Organisationsund Strukturfragen der Kirche, die uns heute permanent beschäftigen, nicht als genuintheologische Fragen begriffen worden; zum Teil ist das bis heute so. Sodann richtet sich die Praktische Theologie vor allem an einzelne Verantwortliche – die Leitungsverantwortung von Gremien und Kollegien (siehe2.2) ist weniger im Blick. Zudem werden viele Fragen der Organisationsentwicklung bis heute eher »oben«, in landeskirchlichen Ämtern und Synoden zum Thema, vielleicht noch auf der Ebene der Kirchenkreise. In Gemeinden und diakonischen Einrichtungen, für Pfarrer:innen und (Kirchen-)Vorstände dagegen erschienen diese Themen über lange Zeit als – vielleicht ärgerliche, aber kaum beeinflussbare – Rahmenbedingungen für das »eigentliche«, das soziale, pädagogische und liturgische Handeln vor Ort.
Dazu kam bis vor wenigen Jahrzehnten die komfortable ökonomische Situation: Eine relativ stabile Mitgliedschaft, der staatlich unterstützte Kirchensteuereinzug sowie der wirtschaftliche Aufschwung der Bundesrepublik hat bis in die 1980er-Jahre dazu geführt, dass inhaltliche Konflikte in der Kirche nicht durch klare Prioritäts- oder Richtungsentscheidungen bearbeitet werden mussten, sondern eine Art additive Logik greifen konnte: Die Ansprüche konkurrierender Frömmigkeiten oder neuer gesellschaftlicher Entwicklungen wurden durch die Einrichtung weiterer Arbeitsfelder (etwa interkulturelle Seelsorge), durch eigene Berufsbilder (etwa Popkantoren oder Geistliche Begleiterinnen) oder zusätzliche Geb