1. KAPITEL
Das Land war frisch und grün, und das Meer schimmerte in tiefstem Blau. Jetzt im Landeanflug waren auch die kleinen Windmühlen gut zu sehen, von denen es rund um den Flughafen etliche gab. Lauren blickte aus dem Fenster. So also leuchtete auf Mallorca der Mai! Die letzten Male war sie im Sommer gekommen, wenn die Sonne die Erde ausgetrocknet und das Gras braun gefärbt hatte. Doch im Moment brauchte sie ihre Auszeit früher. Und dringender denn je. Wobei es sich diesmal weniger um eine Auszeit handelte als um eine Bedenkzeit – aber außer ihr wusste das noch niemand.
„Die Landung ist doch immer wieder aufregend“, sagte plötzlich der grauhaarige Mann neben ihr, der während des ganzen Fluges in eine Art Tiefschlaf gefallen zu sein schien. „Sind Sie das erste Mal auf der Insel?“
Lauren wandte den Blick nur ungern von der schönen Landschaft ab, lächelte aber höflich. „Nein“, antwortete sie. „Eine Freundin aus London wohnt seit einiger Zeit hier.“
„Das kann ich gut verstehen, ich bin auch ausgewandert“, sagte der Mann. „Und wissen Sie, dass diese entzückenden Windmühlen das Wahrzeichen Mallorcas sind? Früher waren sie tatsächlich zum Mahlen da, später wurde damit Wasser gefördert.“
„Ach ja?“, fragte Lauren und wusste nicht, was sie von dem unerwarteten Gespräch halten sollte. Der Mann war viel zu alt, als dass er sich für sie interessieren sollte, und an seinem Finger entdeckte sie auch gleich einen Ehering.
„Entschuldigen Sie“, sagte der Unbekannte. „Es ist nur so, ich habe schreckliche Flugangst. Vor allem das Landen macht mir zu schaffen. Reden hilft.“
„Ach so!“ Lauren schmunzelte erleichtert. „Dafür habe ich vollstes Verständnis. Mir ist auch manchmal etwas mulmig beim Fliegen.“ Und bis das Flugzeug zum Stillstand kam, plauderte ihr Sitznachbar mit ihr, als seien sie alte Bekannte. Dann, als alle Passagiere sich erhoben, reichte der Mann ihr eine Visitenkarte. Baker war sein Nachname, und sein Lachen war herzlich.
„Hier“, sagte er. „Falls Sie in der Altstadt von Palma sind und sich etwas Schönes kaufen wollen – dies ist mein Laden.“
„Danke“, antwortete Lauren und las, was auf der Karte stand. Shopping in einer Boutique für Schmuck und Accessoires? So etwas hatte sie sich bisher äußerst selten gegönnt. Allerdings trennte sie nur ein einfaches „Ja“ von einem sorgenfreien Leben. Warum aber empfand sie bei diesem Gedanken keine Erleichterung?
Draußen auf der Gangway blieb sie kurz stehen und atmete tief ein. Die Luft war herrlich warm. Von unten winkte ihr neuer Bekannter noch mal herauf, bevor er in einen der bereitstehenden Busse stieg. Sie winkte zurück und dachte wehmütig daran, dass dieser Mister Baker vom Alter her ihr V