: Helen Rebanks
: Die Frau des Farmers Mein Leben in einem Tag
: Klett-Cotta
: 9783608124781
: 1
: CHF 17.10
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: Biographien, Autobiographien
: German
: 416
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Bemerkenswert, die oft romantisierte Rolle der Bäuerin so ins rechte Licht zu setzen.« Raynor Winn Vor der Morgendämmerung genießt Helen Rebanks die wenigen Minuten der Ruhe bei einer Tasse Tee, bevor ihr Mann und ihre vier Kinder im Haus herumwirbeln. Es gibt auch sechs Schäferhunde, zwei Ponys, 20 Hühner, 50 Rinder und 500 Schafe zu versorgen. Helen Rebanks ist Bäuerin. In einzigartiger Weise erzählt »Die Frau des Farmers« vom Leben einer Frau auf einem modernen Bauernhof im malerischen Lake District Englands. Als junges Mädchen träumte Helen Rebanks von einem Leben als Künstlerin. Auf keinen Fall wollte sie wie ihre Mutter und Großmutter das Leben einer Bäuerin führen.Sie verlässt die Familie, studiert Kunst, sucht eigene Wege - und doch kommt es anders: Heute sitzt sie auf ihrem eigenen Gehöft und betreibt mit ihrem Mann James Rebanks eine große Farm. Traditionell wird die Stellung der Bäuerin als Nebenrolle gesehen: immer da, aber doch im Hintergrund. Doch ohne die Frauen geht es nicht. Eingebettet in Erinnerungen erzählt Helen Rebanks von ihrem Leben an einem Tag: von der Entscheidung doch ein Landleben zu führen, der Organisation des Haushalts und der Familie, der Verwaltung eines modernen Hofes, von ihrer Liebe zum Kochen und zu den Tieren, der großen Verbundenheit zur Natur und von der Bedeutung und Herkunft unserer Nahrung. Authentisch und ergreifend ist dies die Geschichte eines verborgenen Lebens, das alles zusammenhält, und eine Hommage an alle Landfrauen. Mit zahlreichen, wunderschön illustrierten Familienrezepten

Helen Rebanks ist auf einem Bauernhof im englischen Lake District geboren und aufgewachsen. Ihre Familie betreibt seit vielen Generationen Landwirtschaft. Sie hat einen erstklassigen Abschluss in Bildender Kunst und arbeitete in Oxford, bevor sie in Cumbria Bäuerin und Mutter von vier Kindern wurde. Helen führt den Hof zusammen mit ihrem Mann und erfolgreichen Schriftsteller James Rebanks. Beide setzen sich leidenschaftlich für die Zukunft bäuerlicher Familienbetriebe ein und geben ihr Wissen über regenerative Landwirtschaftsmethoden weiter.

Der Hahn kräht. Es ist 5.30 Uhr: Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und versuche, die Nacht noch ein klein wenig länger andauern zu lassen. Wenn ich an manchen Tagen morgens aufwache und noch im Halbschlaf bin, vergesse ich, in welchem Abschnitt meines Lebens ich mich gerade befinde, vergesse ich, dass ich Mutter und Ehefrau bin und tausend Dinge erledigen muss. Ich hatte diese Rollen nicht immer inne, aber gekannt habe ich sie gut. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, auf dem es drunter und drüber ging. Mein Zimmer war im Dachgeschoss. In Jugendtagen lag ich morgens manchmal im Bett und starrte durch die Dachluke in die Wolken, den Kopf voller Ideen, wie ich dem Alltag auf dem Hof entkommen könnte. Küchengeräusche drangen die Treppe hinauf. Der Teekessel kochte. Hunde bellten. Türen schlugen. Meine Mutter rief, dass ihr jemand bei der Arbeit helfen oder ich mich für die Schule fertig machen solle. Ich träumte von einem Leben als Künstlerin, davon, auf Reisen zu gehen, ich träumte von einem Leben, das gefüllt war mit Tagen, an denen ich viel Zeit zum Lesen und Nachdenken hatte. Auf keinen Fall wollte ich Bäuerin sein. Die Frauen und Mädchen arbeiteten im Haus und rochen nach Seife. Ihre Arbeit fand kein Ende: Waschen, Bügeln, Kochen und Putzen. Die Männer und Jungen arbeiteten draußen und rochen nach Dreck. Ihr Tagesablauf folgte einer schmutzigen, nassen und kalten Routine des Melkens, Fütterns und Hütens, und sie sprachen kaum über etwas anderes. Auf keinen Fall wollte ich später so an den Hofalltag gebunden sein.

Und doch sitze ich, meiner damaligen Vorstellung zum Trotz, nun hier, auf meinem eigenen Gehöft auf einem Hügel im Lake District, nur an die zehn Kilometer davon entfernt, wo ich aufgewachsen bin. Ich lebe mit meinem Mann James zusammen, wir haben vier Kinder – Molly, Bea, Isaac und Tom. Außerdem haben wir sechs Hunde, zwei Ponys, 20 Hühner, 500 Schafe und 50 Rinder, um die wir uns kümmern müssen. Ich bin eine Bäuerin geworden, und dies ist meine Geschichte.

Mein Vater sagt oft: »Wie man sich bettet, so liegt man.« Jedes Mal, wenn ich das höre, schrecke ich auf, weil er dies meist dann von sich gibt, wenn ich mit etwas zu ringen habe. Ich finde das nicht gerade nett von ihm und auch nicht sonderlich hilfreich. Ich weiß, was er damit meint – dass wir alle so leben, wie wir uns entschieden haben, und einen Preis dafür zahlen. Es stimmt natürlich, »man kann nicht alles haben«. Aber dieses unerbittliche, alte Sprichwort lässt einem keine Möglichkeit, etwas zu ändern. Es impliziert, dass ein Bett – beziehungsweise ein Leben – einmal gemacht wird und dann unveränderlich bis in alle Ewigkeit so steht. Es impliziert, dass man niemals wachsen und sich nicht verändern kann, sondern die Dinge, wie sie dann eben sind, erleiden und aushalten muss. Ich denke hingegen, dass wir uns jeden Tag aufs Neue betten – das Leben ist ein ständiger Prozess des Gestaltens und Umgestaltens von uns selbst und der Art, wie wir unsere Tage verbringen. Ich bin pausenlos auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, »mich zu betten«, und nach Wegen, um nicht stecken zu bleiben.

Eine Fliege schwirrt surrend ans Fenster. Ich stehe auf und öffne den Griff, um sie hinauszulassen. Der Ruf eines Kuckucks hallt durch das grüne Tal. James ist schon hinausgegangen, um nach einer kalbenden Kuh zu sehen, und der Rest des Hauses schläft noch, unbeeindruckt vom Remmidemmi draußen.

Ich schlüpfe in meinen hellblauen Morgenmantel und trage drei Tassen die Treppe hinunter, die die Kinder haben stehen lassen. Auf dem Teppich sehe ich eine verräterische Spur Krümel von stibitzten Keksen.

Ich gehe mit meinem Wasserkessel aus Edelstahl zur Spüle, kippe ihn aus und fülle ihn auf, zünde das Gas auf dem Herd an und bringe ihn zum Kochen. Dann drehe ich eine Runde durch die Küche, den Raum, in dem wir leben, arbeiten, kochen und essen. Nachdem ich die Kissen zurück in ihre ursprüngliche Form geschüttelt habe, platziere ich sie wieder ordentlich auf dem grauen Samtsofa. Ich lese Spielzeugdinosaurier und achtlos zur Seite geworfene Socken vom Boden auf und räume einen Stapel mit Papieren und die Post von gestern auf. Die Blumen aus unserem Garten sind verwelkt, also bringe ich sie nach draußen und stelle die alte Vase meiner Großmutter in die Spüle, um sie später abzuwaschen. Heute wäre ihr Geburtstag gewesen. Ich wische den Tisch ab und rücke die Holzstühle zurecht. Unter meinen nackten Füßen spüre ich die kalten Steinfliesen, also suche ich nach meinen Hausschuhen. Floss, unser Collie im Ruhestand, liegt noch immer in ihrem Bett und hat keine Lust, so früh aufzustehen. Sie wede