: Rhea Vallin
: Das Lied der Schwäne Chroniken aus Anderland - Band 1
: Novo Books
: 9783961274406
: Chroniken aus Anderland
: 1
: CHF 1.80
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: Fantasy
: German
: 100
: kein Kopierschutz/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF/ePUB
Samarkuna, das geheimnisvolle Land der ewigen Wälder: Die junge Melisande macht sich nach dem Tod des Vaters auf die Suche nach ihrer Mutter, die seit Jahren verschwunden ist. Von der alten Waldfrau Rautgundis erfährt sie, dass ihre Mutter eigentlich ein magisches Schwanenwesen aus dem sagenhaften Eskildenor im hohen Norden ist und ihre Heimat einst nicht ganz freiwillig verlassen hat. Doch Melisandes Reise ins Land ihrer Mutter nimmt eine unerwartete Wendung, als sie die schillernde Feenkönigin Lordana kennenlernt: Die berichtet ihr von einer bösen Macht, die Eskildenor und andere Länder unterjocht und viele Bewohner verschleppt hat. Ihre Mutter, heißt es, schwebe in großer Gefahr. So begibt sich Melisande auf eine abenteuerliche Mission, begleitet von dem schwatzhaften Wichtel Towi, einem treuen Wolf und sieben zauberhaften Kriegerinnen.
Weit, sehr weit im Norden, dort wo in alter Zeit die Mitternachtssonne das Gold der tausend Seen zum Funkeln brachte, lag das Land Eskildenor. Keines Menschen Fuß durfte es je betreten, so wollte es der heilige Bund; dafür sollte Frieden herrschen in allen Landen ringsumher. Es war das Reich der schönen Königin Asaya vom Volk der Schwäne. Doch ein tolldreister Jüngling hatte einst - so hieß es - gegen dieses uralte Gebot verstoßen. Er war in Liebe entbrannt zur stolzen Asaya und hatte sich heimlich hineingewagt ins verbotene Land der tausend Seen. Durch eine List hatte er sich der Königin bemächtigt und sie ihrer magischen Kraft beraubt. So konnte er sie mit sich führen in sein fernes Heim nach Samarkuna, dem Land der ewigen Wälder. Blind vor Begehren hatte er so das Unheil heraufbeschworen, das nun über Länder und Völker hereinbrechen sollte. I In der kleinen Waldgemeinde Belvildis im Süden von Samarkuna war Gismund, der Jäger, auf die Reise zu seinen Ahnen gegangen. Melisande, seine einzige Tochter, hatte seine Asche nach altem Brauch in alle vier Winde verstreut. Nur sein Herz wurde der Erde übergeben. Frisch gebrochene Zweige bedeckten es, von jeder Baumart des Waldes einer. Es waren nur wenige Menschen versammelt. Kaum eine Handvoll, dachte Melisande schmerzlich berührt. Nur einige Jäger aus benachbarten Waldflecken und Jorinda, ihre treue Freundin aus Kindertagen, standen ihr zur Seite. Die Jäger grüßten den Verstorbenen ein letztes Mal feierlich und gingen dann schweigend ihrer Wege. Zurück blieben die beiden Mädchen. Jorinda umarmte die Freundin. 'Komm zu uns in Dorf', sagte sie leise. 'Hier draußen ist es zu einsam für dich.' Melisande schüttelte den Kopf. 'Aber bald nach der Sonnenwende ist meine Hochzeit, Melli. Du wirst doch meine Brautjungfer sein. Komm, bitte sag ja', beschwor Jorinda sie eindringlich. 'Ich glaube nicht', erwiderte Melisande. 'Ich werde wohl fortgehen.' 'Aber wohin denn? Du hast doch niemanden!', rief Jorinda. 'Eben deshalb', sagte Melisande. 'Hier hält mich nichts mehr.' Jorinda schaute sie entgeistert an. Tränen traten ihr in die Augen. 'Verzeih, so meinte ich das nicht', beeilte sich Melisande zu versichern. Sie legte den Arm um die Freundin. 'Jorli, versteh mich doch. Ich kann hier nicht mehr leben. Aber du wirst immer in meinem Herzen sein.' Jorinda machte sich los. 'Ich muss gehen, mein Bräutigam wartet', stieß sie hervor und huschte davon. 'Leb wohl, meine Jorli', flüsterte Melisande. 'Und alles Glück, das diese Erde dir geben kann.' Sie warf energisch ihren dicken goldblonden Zopf nach hinten, wo er ihr lang über den Rücken hing, und machte sich auf den Weg zu ihrer Hütte. Plötzlich raschelte es kaum vernehmlich neben ihr im Unterholz. Melisande hatte ein feines Gehör und war mit allen Geräuschen des Waldes vertraut. War das ein Tier, oder ...? Doch ehe sie sich's versah, trat eine gebeugte Gestalt in ihren Weg, dick in wollene Tücher und Röcke gehüllt. 'Rautgundis!', rief Melisande überrascht. 'Ich habe mich schon gefragt, wo du steckst.' 'Du weißt, ich stand deinem Vater nicht nahe. So hielt ich mich lieber fern', gab die Alte mit rauer Stimme zur Antwort. 'Doch was höre ich da, Kind? Du willst dich ganz allein davon machen? Was du vorhast, ist gefährlich.' 'Aber ich kenne mich aus in der Wildnis, mir kann so schnell nichts etwas anhaben', versetzte Melisande. Die Alte schüttelte besorgt den Kopf: 'O jugendlicher Unverstand! Nichts weißt du von der Welt. Sie ist dunkel geworden, diese Welt! Wir leben in einer bösen Zeit, mein Kind. Da wird ein hübsches junges Mädchen schnell ins Verderben gestürzt!' 'Ach, Rautgundis', lachte Melisande. 'Immer die alte Schwarzseherin! Ich bin keine ahnungslose Göre, die in die erstbeste Falle tappt.' Inzwischen waren sie an der Hütte angelangt, in der Melisande aufgewachsen war. Leise stöhnend ließ sich die Alte auf der Holzbank neben der Eingangstür nieder: 'Lass mich noch ein wenig verschnaufen und die müden Glieder in der Sonne wärmen.' 'Bleib nur, so lange du willst', sagte Melisande. 'Aber hör auf, dir übertriebene Sorgen zu machen.' Sie fasste nach ihrem Rockbund. 'Schau!' sagte sie und zog das Jagdmesser ihres Vaters hervor. Mit festem Griff holte sie ihren Zopf über die Schulter nach vorn. Ein rascher Schnitt - und das goldblonde Geflecht baumelte in ihrer Hand. 'Nicht Melisande zieht in die Welt', verkündete sie und verbeugte sich kurz: 'Gestatten, Melwin.' Sie schüttelte die kurzen Strähnen und sah dabei tatsächlich aus wie ein Junge. Dann warf sie ihren Zopf in Rautgundis' Schoß. 'Behalt ihn als Andenken.' Rautgundis seufzte tief. 'Ich wusste immer, dass es so kommen würde', murmelte sie. 'Es geht um deine Mutter, nicht wahr?' Melisande schwieg betroffen, ließ sich neben der Alten auf der Bank nieder und starrte vor sich hin. 'Ich muss sie finden', erklärte sie nach einer Weile düster. 'Ich will wissen, warum sie mich so früh verlassen hat.' 'Sie hatte wohl keine Wahl', sagte Rautgundis beschwichtigend. 'Niemand macht so etwas ohne triftigen Grund.' 'Ach ja?!', rief Melisande bitter. 'Sie hat mich im Stich gelassen, da zählte ich gerade mal zehn Sommer! Mein Vater hat seither kein einziges Wort mehr gesprochen. Sieben Jahre lang! Bis zu seinem frühen Tod. Soviel Kummer! Was für einen Grund gibt es da wohl??? Sag es mir!!' Rautgundis tätschelte ihr sanft den Arm. 'Ich hab getan, was ich konnte, mein armes kleines Küken', seufzte sie, 'aber natürlich war es nicht genug.' 'Aber ich bin dir doch dankbar, über alle Maßen sogar', versicherte Melisande. 'Ohne dich wäre ich verloren gewesen. Du warst mir Trost und Stütze, Ratende und Lehrende. Wann immer ich dich brauchte, warst du zur Stelle.' 'Und jetzt bist du flügge und willst aus dem Nest. Das versteh ich, aber fehlen wirst du mir schon.' Melisande beobachtete sinnend einen Bussard, der hoch oben seine Kreise zog. 'Sie hat mir gesagt, ich solle sie niemals vergessen. Dabei kann ich mich nicht mal mehr an ihr Gesicht erinnern', klagte sie leise. 'Nur das Lied, das sie mir vor dem Schlafen gesungen hat, das weiß ich noch auswendig. Es ist in einer merkwürdigen Sprache. Sie wollte mir nie erzählen, was es bedeutet.' Und Melisande begann zu singen: 'Gùr mhala, gùr mhala, gùr geharrh, gùr geharrh, khad meha, wul sichte grosh frehàr. Khad meha, khad frehàr ...' 'Das ist die Sprache des Schwanenvolks', sagte Rautgundis. 'Und es bedeutet: Schlafe, mein Liebstes, schlafe, mein Liebstes, schlafe, mein Kleinod, schlafe, mein K