: Fritz Bartel
: Gebrochene Versprechen Das Ende des Kalten Krieges und der Aufstieg des Neoliberalismus
: Hamburger Edition HIS
: 9783868544084
: 1
: CHF 32.70
:
: Zeitgeschichte (1945 bis 1989)
: German
: 440
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Warum kam der Kalte Krieg zu einem friedlichen Ende? Und warum hat die neoliberale Wirtschaftspolitik im späten 20. Jahrhundert die Welt erobert? In diesem bahnbrechenden Buch argumentiert Fritz Bartel, dass die Antwort auf diese Fragen ein und dieselbe ist. Der Kalte Krieg begann als Wettstreit zwischen kapitalistischen und kommunistischen Regierungen, um ihren Bürgerinnen und Bürgern ein besseres Leben zu ermöglichen. Doch die wirtschaftlichen Erschütterungen der 1970er Jahre machten solche Versprechen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs unhaltbar. Die Energie- und Finanzmärkte übten immensen Druck auf die Regierungen aus.  Der Historiker Fritz Bartel erzählt, wie der Druck, Versprechen zu brechen, das Ende des Kalten Krieges einleitete. Im Westen gab der Neoliberalismus Ronald Reagan und Margaret Thatcher das politische und ideologische Rüstzeug, um Industrien abzuwickeln, Sparmaßnahmen durchzusetzen und die Interessen des Kapitals über die der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stellen. Doch in Osteuropa wehrten sich Revolutionäre wie Lech Walesa gegen jeden Versuch, die Regeln des Marktes durchzusetzen. Und Michail Gorbatschow gelang es letztlich nicht, das sowjetische System zu reformieren.

Fritz Bartel ist Professor of International Affairs an der Bush School of Government and Public Service der Texas A&M University.

1 Der Ölschock im Kalten Krieg


Am 10. Dezember 1976 reiste Willi Stoph, der Vorsitzende des DDR-Ministerrats, enttäuscht und mit leeren Händen aus Moskau ab. Er hatte die sowjetische Hauptstadt besucht, um eine Erhöhung der Öllieferungen an die DDR zu erreichen, doch sein Amtskollege Alexei Kossygin lehnte die Anfrage rundweg ab. »Dafür haben wir keine Ressourcen«, erklärte Kossygin bei ihrem Treffen im Kreml. »Bei uns ist der Mangel an Energie akut […]. Sie müssen also aus den Wolken heruntersteigen.« »Ich bin nicht im Himmel«, schoss Stoph zurück. »Aber Sie wollen von uns erhöhte Lieferungen«, erwiderte Kossygin. »Nach dem Bedarf können wir nicht liefern. Niemand in der Welt kann das.«1

Als die beiden Politiker durch die Straßen Moskaus zum Flughafen fuhren, wo Stophs Flieger auf ihn wartete, versuchte Kossygin die Stimmung zu heben, indem er seinen Genossen an die überwältigenden Vorzüge des sozialistischen Systems gegenüber der kapitalistischen Welt erinnerte, in der großes Chaos herrsche. »Wir verstehen, daß die Lage in der DDR nicht leicht ist«, so der sowjetische Minis