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Johann Strauß, er war gerade siebzehn geworden, saß an seinem Schreibtisch, das Fenster war offen, und arbeitete an einer Messe. Sein Lehrer, der noch Franz Schubert gekannt hatte, war Kirchenmusiker. Johann hatte kein Klavier, das ihm das Komponieren erleichtert hätte. Er besaß nur eine Geige, aber er brachte es fertig, mithilfe dieses Instruments seine Kompositionsarbeit zu überprüfen.
Johann schaute auf, denn er hörte jemanden ganz wunderschön singen. Er ging zum Fenster und sah im Haus gegenüber eine junge Frau mit einem Notenblatt in der Hand, die so schön war wie ihr Gesang. Er setzte sich aufs Fensterbrett und hörte gebannt zu. Als die junge Frau einhielt, applaudierte Johann. Danke!, rief sie herüber. Ich habe noch nie jemanden so schön singen gehört!, rief er zurück. Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen? Gern!, erwiderte sie.
Sie gingen in ein kleines Café. Mein Name ist Johann, Johann Strauß, sagte er. Und meiner, erwiderte sie, istElvira, Elvira Gehnitheim. Was für ein schöner Name, sagte er. Strauß, Strauß, so heißt jeder Zweite. Sie sind der Erste, erwiderte sie, der meinen Namen schön findet. Sie singen so wunderbar, sagte er. Ich bin noch in Ausbildung und stehe noch ganz am Anfang, antwortete sie.
Ich auch, erwiderte Johann. Ich versuche zu komponieren. Zurzeit arbeite ich an einer Messe. Mein Lehrer ist Kirchenmusiker. Er unterrichtet mich gratis, ich habe ja kein Geld. Er schenkt mir sogar Notenblätter und borgt mir Partituren. Zwei Messen von Franz Schubert liegen auf meinem Schreibtisch, ich studiere sie immer wieder. Mein Lehrer hat Schubert gut gekannt.
In Ihre neue Messe, sagte Elvira, werden Sie schöne Arien für mich einarbeiten. Arien wahrscheinlich nicht, erwiderte Johann, aber etwas Ähnliches. Ich werde die Messe so schnell ich nur kann fertigstellen. Sie wird in einer Kirche uraufgeführt werden, Sie werden singen, ich werde im Orchester sitzen, ich bin ein passabler Geiger.
Das wird ein Welterfolg, sagte Elvira. Johann nickte, dann erwiderte er: Ich finde es interessant, dass Sie von Welterfolg sprechen. Ich ertappe mich manchmal bei Tagträumereien. Sie handeln davon, dass ich ein erfolgreicher Musiker bin, dem die Welt zu Füßen liegt. Das brauche ich wohl zum Ausgleich für mein trostloses Leben.
Wieso trostlos?, fragte Elvira. Sie komponieren eine schöne Messe, wir treten gemeinsam auf. Ach, seufzte Johann, dazu wird es nicht kommen. Ich bräuchte Geld, um von zu Hause ausziehen zu können. Sie scheinen das ja geschafft zu haben. Elvira nickte. Ich arbeite als Hilfskraft im Büro, sagte sie. Wenn Sie die Ohren spitzen, hören Sie den Lärm. Johann nickte. Die Metallfabrik liegt nicht weit von hier, fuhr Elvira fort, dort bin ich beschäftigt. Ich verdiene gerade so viel, dass ich mir eine kleine Wohnung leisten kann.
Sie haben vorher bei Ihren Eltern gewohnt?, fragte Johann.
Elvira nickte. Darüber will ich nicht reden, antwortete sie. Ich bitte Sie, sagte Johann, reden Sie darüber. Elvira schwieg. Sie, die so fröhlich gewirkt hatte, blickte nun traurig drein und war den Tränen nahe. Schließlich sagte sie: Nur ein Wort. Der Vater war ein Trinker.
Da haben wir’s, antwortete Johann. Elvira bestellte noch zwei Kaffee. Meine Mutte