Danny
Wie immer wachte Danny vor Sonnenaufgang auf. Er hätte gern länger geschlafen, aber es klappte nicht. Kurz bevor die Sonne über die Hügelkette der Endless Mountains im Norden der Stadt spitzte, öffneten sich seine Augen, und dann konnte er nicht wieder einschlafen, sosehr er sich auch anstrengte. Dabei war er viel lieber in seinen Träumen als dort, wo er jetzt war. In seinen Träumen war er sicher und glücklich, und die Leute darin behandelten ihn wie jeden anderen. An die meisten Träume erinnerte er sich kaum, aber die von dieser Nacht hatte er noch deutlich im Kopf. Er war noch klein, vielleicht fünf oder sechs, seine beiden oberen Schneidezähne fehlten, und weil er Geburtstag hatte, trug er einen roten Papierhut mit weißen Punkten. Er blies ganz fest die Backen auf, um die Kerzen auf dem großen Schokoladenkuchen auszupusten. Schoko mochte er am liebsten. Von den Kerzen mit den winzigen orangen Flammen tropfte heißes Wachs auf die Glasur. Seine Eltern waren da und sahen ihm breit lächelnd zu. Um ihn herum saßen ein Dutzend Kinder am Küchentisch und klatschten und lachten und beäugten den Schokokuchen mit den drei Schichten. Auf dem großen Tisch stapelten sich die Geschenke, die in schönes Geschenkpapier mit bunten Schleifen gewickelt waren. Die Geschenke waren alle für ihn. Sie waren von Freunden, die er nicht einmal kannte. Nachdem er alle Kerzen ausgepustet hatte, wachte er auf.
Ein paar Minuten lang lag er auf seiner dünnen Matratze, die Füße über den Bettrand ragend, und wünschte sich zurück in den Traum, damit er die Geschenke auspacken und sehen konnte, welche Spielzeuge es waren. Stattdessen schlug er in dem morgendlichen Dämmerlicht die Augen auf und sah die Baumschatten wie Marionetten über seine Zimmerdecke huschen und tanzen.
Danny überlegte, dass er genauso gut aufstehen könnte. Heute war ein großer Tag. Er stand auf, rieb sich den Schlaf aus den Augen und streckte sich ausgiebig, dann warf er einen Blick aus dem Fenster im ersten Stock. Er sah das träge dahinfließende dunkle Wasser des Susquehanna River, das sich über großen moosbedeckten Felsen kräuselte und am Ufer leckte. Es gefiel ihm, so nah am Fluss zu wohnen und sein Rauschen zu hören, aber er ging nicht ins Wasser. Nein, er ging nie ins Wasser.
Bald würde die Sonne aufgehen. Beim Anblick des hübschen rosa Himmels, der sich glitzernd in dem dahinfließenden Wasser spiegelte, lächelte Danny. Er konnte das Wort Susquehanna zwar nicht richtig aussprechen, aber sein Papa hatte ihm gesagt, dass es ein indianischer Name war, weil hier nämlich amerikanische Ureinwohner gelebt hatten, bevor die Siedler gekommen waren. Wyalusing hatte einmal M’chwihilusing geheißen, sagte sein Vater, was Danny ziemlich lustig fand. Seine Eltern hatten ihm eine Menge beigebracht, weil sie Lehrer waren und ziemlich schlau. Immerzu hatten sie dicke Bücher gelesen.
Danny tastete sich durch das Zimmer und knipste die Lampe an. Schwaches Licht erfüllte den kleinen Raum, in dem außer einem schmalen Bett, einem Schrank und einer Kommode vom Flohmarkt nicht viel stand. Die Wände waren nackt, und die Farbe war in großen Placken abgeblättert. Beinah stieß Danny mit dem Kopf an die niedrige Decke. Wenn eine Glühbirne durchbrannte, musste er sich nicht auf einen Stuhl stellen,