1. KAPITEL
Fassungslos schaute Sarah dem roten Schuh nach, der an ihr vorbei durchs offene Fenster flog und ins Ungewisse verschwand.
Sie stand wie gelähmt einen Moment lang da, besann sich, lief zum Fenster und konnte dem Schuh nur noch nachschauen.
Es war nicht irgendein Schuh, sondern ein von Frederick K für seine neue Kollektion entworfenes Modell, ein Einzelstück.
Das lag nun drei Stockwerke tiefer irgendwo vor dem Haus.
„Wie konntest du nur, Diana?“, herrschte Sarah ihre jüngere Schwester an. „Weißt du nicht, wie wichtig der Schuh ist?“
Dann lehnte sie sich aus dem Fenster und ließ den Blick über den Bürgersteig wandern. Nirgendwo war irgendetwas Rotes zu entdecken.
Doch, da! Neben den Mülltonnen.
Sarah atmete auf. Dem kostbaren Schuh schien nichts passiert zu sein. Sie brauchte ihn nur zu holen. Rasch ging sie zur Tür.
„Wohin willst du?“, fragte Diana, ehrlich überrascht.
Denkt sie wirklich, ich würde bleiben und weiter mit ihr diskutieren? fragte sich Sarah ungläubig.
„Ich muss den Schuh holen“, erklärte sie hastig. „Meine Karriere steht auf dem Spiel. Weißt du, was passiert, wenn ich nicht …“
„Warum machst du so einen Wirbel? Es ist doch nur ein bisschen Leder.“ Lässig zuckte Diana mit den Schultern. „Wenn du wirklich schicke Schuhe möchtest, gebe ich dir gern ein Paar von meinen.“
„Du kapierst es einfach nicht“, warf Sarah ihrer Schwester vor. „Das tust du nie!“
„Was kapiere ich nicht? Dass du mein Leben zu ruinieren versuchst?“, konterte Diana. „Wieder einmal.“
Immer muss sie alles dramatisieren, dachte Sarah verzweifelt. Dabei hatte Diana als Kind doch genug Aufmerksamkeit bekommen, oder? War ihr das nicht genug gewesen? Wozu diese Szenen und Temperamentsausbrüche, als wäre sie ein Star?
Damit kannte Sarah sich aus. Als Reporterin für die Boulevardzeitung „Szeneblicke“ berichtete sie ständig über Promis, die über die Stränge schlugen, um ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu geraten.
Den Job war sie inzwischen leid. Im Leben ging es ihrer Meinung nach um mehr, als auf den Gesellschaftsseiten abgebildet zu sein.
Oder für diese zu schreiben.
„Ich habe jetzt wirklich keine Zeit, um überdein Leben zu diskutieren“, erklärte Sarah und verließ endlich die Wohnung.
Sie lief die Treppe hinunter und nach draußen auf die Straße, wo wie üblich dichter Verkehr herrschte und sich die Fußgänger auf dem Bürgersteig drängten. Trotz des Getümmels und des Straßenlärms hatte sie diese Gegend in Manhattan vom ersten Moment an geliebt. Sie hatte eine Wohnung in einem der alten Backsteinhäuser gefunden, das zwar keinen Portier und keinen Aufzug zu bieten hatte, dafür aber eine besonders freundliche Besitzerin, die ihren Mietern an Weihnachten selbst gebackene Kekse brachte.
Nach dem eher dunklen Tr