1. KAPITEL
Die Damentoilette war so groß wie ein Salon und ebenso exklusiv ausgestattet. Vor dem Waschbecken in einer Nische stand Billie und besserte vorsichtig ihr verschmiertes Augen-Make-up nach. Im Stillen schalt sie sich dafür, dass sie vor dem Altar den Tränen nahe gewesen war. Ein Blick in den Spiegel verriet ihr, dass ihre Augen nun vor Glück strahlten. Erschrocken zuckte sie zusammen, als die Tür aufgestoßen wurde und mehrere weibliche Gäste hereinkamen, die sich angeregt miteinander unterhielten.
„… Calisto hatte ständig Wutanfälle. Also ist Alexei offenbar zu dem Ergebnis gekommen, dass das Leben einfacher ist, wenn er eine Frau an seiner Seite hat, die sich alles gefallen lässt“, hörte sie eine Engländerin kichernd sagen. „Er wird sich garantiert bald langweilen …“
„Und sie ist nur eine seiner Mitarbeiterinnen … Wer hätte geglaubt, dass ein Drakos sie überhaupt wahrnimmt?“, höhnte eine andere Frau.
„Ja, sie ist so gewöhnlich – ein richtiger Trampel!“, fügte die erste hinzu. „Und dieses Kleid … keine Schleppe – und dann diese altmodischen Stickereien. Offensichtlich will Alexei sich mit ihr über Calisto hinwegtrösten …“
Billie, die für die Frauen nicht zu sehen war, presste die Lippen zusammen und versuchte, die giftigen Bemerkungen zu überhören. Alle drei Frauen zählten zu Alexeis unzähligen Ex-Geliebten, und alle hatten einen seiner wohlhabenden Freunde oder Geschäftspartner geheiratet.
„Calisto muss es ja richtig vermasselt haben. Hätte ich das geahnt, hätte ich die Scheidung eingereicht und mich ihm wieder an den Hals geworfen!“, gestand die Engländerin in einem Tonfall, der bewies, dass sie es durchaus ernst meinte.
„Aber die Geschichte mit ihr war eine Ausnahme“, machte eine ihrer Begleiterinnen ihre Hoffnungen zunichte. „Calisto ist die Einzige seiner Ex-Freundinnen, mit der er wieder etwas angefangen hat.“
„Und was ist das jetzt wert? Gerade hat er eine Frau geheiratet, die nicht aus seinen Kreisen kommt. Ich gebe dieser Ehe drei Monate, höchstens vier, wenn sie geschickt vorgeht und seine Affären ignoriert“, prophezeite die Engländerin. „Dann wird er seine häusliche kleine Braut fallen lassen.“
In diesem Moment straffte Billie sich trotzig. Ihr Stolz verbot es ihr, sich noch länger zu verstecken. Schließlich war diese Luxusvilla jetzt ihr Zuhause. Als sie aus der Nische trat, erstarrten die drei Frauen, was einer gewissen Komik nicht entbehrte. Hocherhobenen Hauptes ging sie an ihnen vorbei und verließ die Damentoilette.
Hilary, ihre Tante, schlenderte in der Eingangshalle auf und ab, das weinende Baby auf dem Arm. Erleichtert blickte sie sie an. „Ich habe dich schon überall gesucht. Nicky lässt sich einfach nicht beruhigen. Ich glaube, er bekommt wieder einen Zahn …“
„Gib ihn mir.“ Billie eilte zu ihr, um ihr ihren kleinen Sohn abzunehmen, der sich heftig wand. Den Sohn, von dem Alexei nichts wusste, wie sie sich schuldbewusst ins Gedächtnis rief, während sie besorgt sein schmerzverzerrtes kleines Gesicht betrachtete. Sie liebte ihn so sehr und hätte ihn gern allen gezeigt, ohne ihn wie bisher als Hilarys Kind und ihren Neffen auszugeben. Zu dieser Farce hatte sie sich gezwungen gesehen, als sie ihn und ihre Tante mit auf die Insel Speros nahm. Der Mann, den sie heute geheiratet hatte, ahnte nicht, dass sie in der Nacht nach der Beisetzung seiner Eltern von ihm schwanger geworden war. Da er wenige Minuten später gestürzt und sich den Kopf gestoßen hatte, erinnerte er sich nicht mehr an ihre leidenschaftliche Begegnung.
Ungeachtet der Ermahnungen ihrer Tante, mit ihrem Brautkleid vorsichtig zu sein, drückte Billie das Baby an sich, das wie sein Vater pechschwarzes Haar hatte. Seinen süßen Duft einzuatmen und ihn zu spüren, war eine Wohltat für ihre Nerven, und auch der Junge beruhigte sich allmählich und schmiegte sich an sie.
Im nächsten Moment kam ein großer, überwältigend attraktiver Mann mit schwarzem Haar und dunklem Teint durch die Eingangshalle auf ihre Tante und sie zu. Sobald sie dem Blick seiner goldbraunen Augen begegnete, rückte alles andere in den Hintergrund, so stark war die Wirkung, die er auf sie ausübte. Noch immer konnte sie es nicht fassen, dass sie jetzt Alexeis