: Martina Bergmann
: Das Fräulein Buchhändlerin Roman | Die Geschichte einer mutigen Frau vor der Kulisse der Sechzigerjahre I »Dieses Buch hat ganz viel Humor und einen stillen Witz.« Christine Westermann über »Mein Leben mit Martha«
: Eisele eBooks
: 9783961612734
: 1
: CHF 17.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Geschichte einer mutigen jungen Frau vor der Kulisse der Sechzigerjahre Buchhändlerin Amanda hat ihre Routine: der Kaffee, den ihr Horst, der erste Sortimenter, zubereitet, die Bu?cher, die Abende mit Oma. Dass sie bald heiraten und Kinder kriegen soll, weil man 1965 in Bielefeld nicht gleichzeitig ein arbeitendes Fräulein und Gisberts Ehefrau sein kann, das ignoriert Amanda. Doch dann ergibt sich ihr die Möglichkeit, den Laden ihres Chefs Otto Angler zu u?bernehmen. Beim Aufbau ihrer eigenen modernen Buchhandlung stößt sie auf einige widerständige Herren, die sehr bald merken, dass sie die Intelligenz und den Mut der jungen Dame unterschätzt haben. »Seit sie beschlossen hatte, eine Buchhandlung zu betreiben, also sich selbständig zu machen, war da nichts als Meinung um sie herum. Als sei sie auf einmal magnetisch aufgeladen. Frau, die eine Buchhandlung übernimmt. Meinungen frankiert direkt ins Gesicht.«

 Martina Bergmann wurde 1979 in Werther geboren, hat in Halle den Buchhandel kennengelernt und sich fu?r Ausbildung und Studium u?ber den Tellerrand gewagt. Nach Wanderjahren in Hamburg, Berlin und Mu?nchen war sie mit 30 wieder da. 2010 eröffnete sie in Borgholzhausen eine Buchhandlung und zog mit dieser 2023 nach Rietberg um, was immer noch in Ostwestfalen liegt. Denn schließlich ist es dort am schönsten. Das Fräulein Buchhändlerin ist nach verschiedenen Sachbüchern ihr zweiter Roman. 

Sonntag


Oma versäumte das Kusinentreffen. Deswegen war ihre Laune schlecht. Oma und die Kusinen waren alle um die siebzig, wie Otto Angler. Aber vom Hof und von was für einem. Den Großeltern, also Omas Großeltern, hatte in Jöllenbeck ungefähr alles gehört, worauf heute Siedlungshäuser standen, in ordentlichen Reihen. Das Bauernhaus selbst war erhaben, mit dem schönsten Fachwerk verziert, das Amanda je gesehen hatte. Es handelte sich um einen Sattelmeierhof, und als Omas Großvater im ersten Jahr des neuen Jahrhunderts gestorben war, hatten acht Pferde seinen Sarg begleitet. So war es damals zugegangen. Dass es Bilder davon gab, Fotografien, bewies den Kusinen noch fünfundsechzig Jahre später, welch gutem Hause sie entstammten.

Wie die Villen am Johannisberg lag auch Jöllenbeck weit oben. Man hatte weitere Sicht als die Menschen in den Städtchen, die zu Fuße des Osnings entstanden waren. Bielefeld, Halle, Werther. Wer auf sich hielt, wohnte erhöht. Oma bezog das natürlich auch auf sich, weil Winkelshütten höher lag als Borgholzhausen. Aber das war eher eine Witzigkeit, wie so vieles bei ihr. Sie schuf Parallelen, wo keine waren, und erzählte sie wie Geschichten aus dem Heimatkalender. »Bauernscholastik« nannte es Gisbert, was nur ein Kompliment auf halber Höhe war. Aber immerhin.

Diese Großeltern jedenfalls hatten sechs Töchter gehabt und alle ordentlich verheiratet. Jede wieder mit einigen Kindern, wovon die Mädchen sich alle Vierteljahr unter der Bezeichnung »Kusinentreffen« gegenseitig zum Kaffeetrinken einluden.

Ein paar Kusinen waren zwischendurch gestorben. Sie hatten die Spanische Grippe gehabt, waren im Kindbett geblieben oder eines Morgens nicht mehr aufgewacht. Das Leben war härter gewesen, die moderne Medizin nicht überall durchgesetzt. Die Ravensberger Menschen neigten außerdem zum Aberglauben, was in körperlicher Hinsicht schiefgehen konnte. Aber nicht eine war an Mangel gestorben. Auf dem Land gab es genug zu essen, und die meisten Bomben fielen woanders herunter. Der Nachteil: In größeren Städten passierte mehr. Keine Langeweile und schon früh Elektrizität.

Oma hielt »Moderne« für eine Abkürzung ihrer eigenen Lieblingsvokabel, welche die Modernisierung war. Alles, was durch Apparate schneller und sauberer wurde, gefiel ihr gut. Kochmaschine, Eisschrank, beim Friseur die Trockenhaube: Solche Technik mochte sie. Automobile hingegen, Wagen in der Alltagssprache, hielt sie für überflüssigen Luxus. Ihre Liebe galt stattdessen der Eisenbahn. Der großen sowieso, die von Köln nach Minden fuhr, von dort dann über Hannover bis nach Berlin. Aber auch die regionalen Züge mochte sie und ganz besonders die Kleinbah