IN DIESEM AUGENBLICK schaut meine Mutter das helle Licht der Aufklärung. Neben ihr mein aus Prag angereister, groß gewachsener Onkel Vladimir, von allen kurzVláda genannt. Er beobachtet sie, seine Kamera um den Hals, ein wenig skeptisch. Auf diese Weise könnte man das Bild beschreiben. Aber wahrscheinlich war die Situation viel weniger bedeutungsschwer. Vielleicht war die Haltung der Personen nur eine zufällige Pose, eingefangen durch einen Schnappschuss im Frühling des Jahres 1966. Er zeigt die beiden am Tor zur Sendeanlage Lichtenberg, wie der Aufschrift auf dem massiven Betonblock rechts im Bild zu entnehmen ist. Dieser dient der Befestigung der dicken Stahlseile des Sendemasts. Sie geben dem 135 Meter hohen Sender nahe Linz den notwendigen Halt, wenn die Stürme über das Mühlviertel fegen.
1966 versorgte der Österreichische Rundfunk seit nunmehr ein paar Jahren weite Teile des Landes mit seinen Programmen. Aufgrund der Positionierung des Senders Lichtenberg strahlte dieser auch weit bis in die böhmische Tiefebene hinein, bis ins Land meines OnkelsVláda aus Prag. Genau genommen war er kein Onkel, sondern ein Cousin meiner Mutter, aber damals nannte man alle irgendwie zur Familie gehörigen Menschen – auch wenn sie nicht einmal verwandt waren – Tanten und Onkel.
Da die Vergangenheit selbst nicht mehr zu beobachten ist, brauchen wir Bilder von ihr. Sie sind unsere Krücken auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
Es war eine verheißungsvolle Zeit, nicht nur für die beiden Abgebildeten. Das Programm, das von diesem Sender ausge