KAPITEL 1
Der Fall der woken Mauer
»Die Bedrohung, die mich in Bezug auf Europa am meisten beunruhigt, ist nicht Russland, nicht China. Was mich beunruhigt, ist die Bedrohung von innen: der Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendstenWerte.«
Als diese Worte von J. D. Vance am 14. Februar 2025 über Internet und Medien durch ganz Deutschland verbreitet wurden, reagierten die Menschen erst einmal mit Schock. Einige dachten empört: Das darf man doch nicht sagen! Das ist unerhört! Die Politiker und etablierten Medien überschlugen sich in einhelliger Entrüstung.
Doch die meisten Menschen dachten lächelnd: Das darf man doch nicht sagen! Das ist großartig! Endlich sagt es einer! Wenn ich das sage, steht die Polizei vor meiner Tür … Für diese Leute war die Rede des Amerikaners wie ein unerwarteter strahlend blauer Himmel nach wochenlangem dichtem Nebel. Was war passiert?
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sprach der US-Vizepräsident über die aus seiner Sicht größte Bedrohung für Europas Frieden. Und das seien nicht äußere Gefahren, sondern der Verlust der Meinungsfreiheit, für deren Etablierung Europa viele Jahrhunderte lang kämpfte. Ohne das Wort zu benutzen, beschrieb Vance genau das, wovon dieses Buch handelt: die Tabuisierung der anderen Meinung und die systemische Ausgrenzung von Andersdenkenden. Dass Vance möglicherweise im Glashaus sitzt und mit Steinen wirft, liegt auf der Hand: Man sieht zwar den Splitter im Auge des Bruders, aber den Balken im eigenen Auge erkennt man nicht. Dass in den USA auch nicht alles perfekt läuft, schmälert allerdings nicht den Wahrheitsgehalt seiner Aussage. Betrachten wir für einen Moment diesen Splitter, denn als Europäer sind wir ja unmittelbar davon betroffen. Bezüglich der Einmischung anderer Staaten in europäische Wahlkämpfe sagte Vance:
»Wenn Ihre Demokratie von ein paar hunderttausend Dollar digitaler Werbung aus einemfremden Land zerstört werden kann, dannwar sie von Anfang an nicht sehr stark. Diegute Nachricht ist, dass ich glaube, dass IhreDemokratie weit weniger zerbrechlich ist, alsviele zu befürchten scheinen. Und ich glaube, dass sie noch stärker wird, wenn wir unserenBürgern erlauben, ihre Meinung zu äußern.«
Dieser letzte Satz ist besonders bedeutsam, denn darin impliziert Vance, dass es den Bürgern Europ