: Christina König
: Alles, was du wolltest
: Otto Müller Verlag
: 9783701363285
: 1
: CHF 19.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 200
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Alex und Viktoria sind ein Paar und leben unter einem Dach. Es ist Viktorias Dach - schick möbliert, große Räume, Terrasse mit Pool. Alex darf mietfrei dort wohnen, muss jedoch Putzfrau und Haushälterin spielen. Sie nimmt Viktorias Geschenke und ihre finanzielle Unterstützung an, nutzt auch gerne das Massagestudio im Gartenhaus für ihr berufliches Fortkommen, wird dafür aber zunehmend zu Viktorias Marionette degradiert. Das eigene Massagestudio war schon lange Alex' Traum - also richtet sie sich ein in diesem ungesunden Kompromiss. Ein Verlobungsring, den Alex bei Viktoria findet, zwingt dann einen Entschluss herbei. Doch weil dieser Roman ein wenig ungewöhnlich ist und genauso schlecht Entscheidungen treffen kann wie Alex, erzählt er gleich mehrere Möglichkeiten: Wird Alex Viktoria verlassen? Wenn ja, wie geht es dann für Alex weiter, beruflich und privat? Schafft sie es, sich endgültig von Viktoria zu lösen? Auf direkte und schonungslose Art erzählt Christina König von einer toxischen Beziehung und deren weitreichenden Folgen und umkreist dabei auf originelle Weise Möglichkeiten, daraus wieder herauszufinden - oder auch nicht.

Christina König, geboren 1993 in Linz. Wollte schon als Kind Buchschreiberin und Hasenzüchterin werden. Eins davon hat funktioniert. Studierte Germanistik und Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft in Salzburg und nahm von Werbetexterin bis Korrektorin immer Jobs an, die mit Schreiben zu tun hatten. Ihre Texte wurden zuletzt in Die Rampe, erostepost, mosaik und Am Erker veröffentlicht, sie war unter anderem bei zeilen.lauf 2024 und FM4 Wortlaut 2022 unter den Finalist:innen und stand auf der einen oder anderen Shortlist. 'Alles, was du wolltest', wofür sie ein Arbeitsstipendium des Bundesministeriums für Kunst und Kultur erhielt, ist nicht ihr erster Roman, aber der erste, der das Licht der Literaturwelt erblickt.

Früher


Sie schleppt sich hinter dir hinauf in den herbstblauen Himmel. Die Falten um ihren Mund schneiden in das rote, goldene und braune Laub. Du hast keine Lust auf ihr grantiges Gesicht und gehst ein paar Schritte vor ihr. Das macht sie noch grantiger.

Wann sind wir endlich da?

Es geht nicht darum, endlich da zu sein.

Was bringt das Ganze dann?

Auf einer Aussichtsplattform macht ihr Pause. Sie setzt ihren Rucksack ab wie das Kreuz, auf das sie gleich jemand nageln wird.

Mein Rücken tut weh.

Das sagt sie zum dritten Mal. Du deutest auf den Fluss, der unter euch glitzernd seine Schlaufen zieht.

Schau.

Auch nicht anders als auf Google-Fotos.

Du hältst ihr ein Brot mit Frischkäse hin. Sie ignoriert dich und knabbert Karottensticks. Du isst das Brot selbst, schließt die Augen und genießt deine warmen Muskeln. Letzte Woche warst du mit ihr in einem intellektuellen Film auf Dänisch, den du nicht verstanden hast, du schleppst ihre Sackerl beim Einkaufen und bespaßt ihre Kollegen auf Firmenevents. Links von dir knackt es kämpferisch. Du wirst ihr sagen, dass du sie nicht mehr sehen willst.

Später am Nachmittag wäschst du dir in ihrem Bad die Hände. Sie zieht ein Kleidungsstück nach dem anderen aus und wirft es zur Wäsche. Dann dreht sie die Dusche auf, testet mit den Schienbeinen das Wasser, schiebt sich darunter. Kommst du?

Du ziehst dich aus.

Du sitzt auf der Couch und schaust Serien über ihren Amazon-Prime-Account, als sie hereinkommt und dir dein Handy unter die Nase hält. Wer ist das?

Sie hat die Instagram-Nachrichten von einem alten Schulfreund geöffnet.

Nur so ein Typ von früher.

Warum schreibst du mit dem?

Er hat mir geschrieben.

Na, wenn er anfängt, kannst du unmöglich sagen, dass du kein Interesse hast, oder?

Die Chatblasen blubbern über den Bildschirm wie dein letzter Sauerstoff. Du zerstichst sie in Gedanken, versuchst, belastendes Material herauszufiltern. Du findest nicht, dass du geflirtet hast.

Weiß und kalt und klein steht sie vor dir. Du fummelst nach der Fernbedienung und pausierst die Serie. Es macht sie wütend, wenn du unaufmerksam bist. Sie nimmt die Stille und erstickt dich damit.

Er will überhaupt nichts von mir.

Bist du so dumm? Oder glaubst du, ich bin so dumm?

Natürlich will er was von dir. Ihr habt mit dreizehn oder vierzehn mal geschmust. Aber du hast geschrieben, dass du mit jemandem zusammen bist.

Da läuft nichts. Du hast es doch eh gelesen.

Was hab ich eigentlich gemacht, dass ich mir deinen Scheiß geben muss?

Dein Handy prallt gegen deinen Ellbogen. Sie hat es nach dir geworfen. Später wirst du dir einreden, dass sie es dir nur zugeworfen hat.

Ihr Arm wedelt durch die Luft. Raus.

Du brauchst eine Weile. Ihr Arm hat Richtung Tür gewedelt.

Ich wohne hier.

Das ist mein Haus. Raus.

Du schälst dich aus der Decke, nimmst dein Handy und schiebst dich an ihr vorbei.