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KENNEBUNKPORT,MAINE
Sechs Tage zuvor
Essen ist von jeher mein Leben. Die Hektik in der Küche, gebräunte Butter in einem gusseisernen Topf, das harte Knacken einer Hummerschale. Nie wollte ich etwas anderes sein als Köchin. Mein Dad kaufte mir meine erste Kochjacke, als ich zehn Jahre alt war, und die trug ich überall hin – bis das gestärkte Weiß den Ton von Dijonsenf annahm und meine Mom beteuerte, die anderen Kinder in der Schule würden mich weniger aufziehen, hätte ich beispielsweise Latzhosen an.
Wenn ich es genau bedenke, hatte sie vermutlich recht, aber ich hegte einen extrem optimistischen Traum. Ich würde ein Restaurant am Wasser aufmachen und an verschneiten Tagen Schälchen mit heißer Fischsuppe servieren. Ich würde bis spätabends in der Küche stehen, neue Rezepte ausprobieren und morgens Kartoffeldonuts mit frischen, regionalen Zutaten anrühren.
Mit anderen Worten: Ich wäre glücklich.
«Du siehst nicht gut aus», bemerkt mein Chef. Er mustert mich mitfühlend über den gestutzten Rasen hinweg, und ich frage mich, was genau er meint: das löchrige Boston-Terriers-Sweatshirt, das ich seit dem College besitze, den Schweißfilm auf meiner Stirn oder die allgemeinen Vibes, die ich in letzter Zeit ausstrahle, dass ich möglicherweise nachts in meine Kissen schreie. Ich bin fast dreißig, so hoch verschuldet, dass es mir das Wasser in die Augen treibt, und seit einer Stunde schleppe ich Kartons mit billigem Wein aus dem Cateringvan heran.
Ich ziehe das klamme Sweatshirt aus, zurre mein T-Shirt zurecht und werfe ihm ein, wie ich hoffe, beruhigendes Lächeln zu. «Mir ist bloß ein bisschen warm.»
«Bist du sicher, dass das alles ist?», fragt er. «Du siehst echt furchtbar aus.»
«Ja, danke, Andy», antworte ich und puste mir den Pony aus den Augen. Ich gehe es sanft an, weil ich immer sanft bin – und ehrlich, nach dem Jahr, das ich hatte, würde ich mir auch Sorgen um mich machen.
Der Wind kühlt mich ein wenig ab, als ich um die Außenbar gehe, mir ein Glas Eiswasser aus einem Krug einschenke und einen Schluck trinke.
Dies ist meine siebenundzwanzigste Hochzeit diesen Sommer, und wir haben erst Juni. Jede sieht ungefähr so aus: hübsches Paar, Zeremonie am Wasser, Empfang auf dem Rasen vor der Bilderbuch-Gastwirtschaft. Wurstplatten, klimpernde Gläser, Hunderte von Kamerablitzen. Und ich eile umher und sorge dafür, dass es allen gut geht. Hier bin ich als Bedienung für alles zuständig: Gläser auffüllen, fragen, ob Cocktailsoße zu den Shrimps gewünscht wird, und gelegentlich Streit zwischen Trauzeugen schlichten, die zu viel Sekt hatten. (Verzeihung, könnt ihr euch nicht einfach mal umarmen?)
Man verstehe mich nicht falsch. Ich bin unendlich dankbar für diesen Job. Und mir ist auch sonnenklar, dass es die einzige Arbeit ist, die ich finden konnte – bei einer zweitklassigen Cateringfirma und für einen Stundenlohn, von dem ich noch nicht einen Dollar meiner Schulden abtragen konnte. Seit drei Monaten lebe ich von herabgesetzten Makkaroni, abgelaufenen Blaubeer-Pancake-Mischungen und dem, was am Ende des Abends vom Catering übrig ist.
Gary, der zur Gastwirtschaft gehörende Ganter, schnattert vorn am Ufer, und es erinnert mich daran, auf die Uhr zu sehen. Ich muss ihn zurück in die Hölle scheuchen, bevor die Gäste in einer Stunde eintreffen. Gary ist das, was man als Chaosi