1. KAPITEL
Bevor sie die Jacht betrat, schaute Amelia über das funkelnde Meer, wie sie es jeden Tag tat – nach Osten, in Richtung Heimat. Sie war weit weg, getrennt von ihrem Zuhause durch Land, Meer, Meilen. Ihr Zuhause war mit zu viele Problemen behaftet, als dass Amelia auch nur in Betracht ziehen würde, diese Entfernung zu überbrücken. Doch das bedeutete nicht, dass ihr die Heimat nicht fehlte, dass sie sich nicht von ganzem Herzen danach sehnte. Aber sie würde niemals nach Hause zurückkehren können – dieses Risiko konnte sie einfach nicht eingehen.
Sie kniff die Augen ein wenig zusammen und stellte sich vor, was ihre Eltern gerade taten, ihre Brüder, dachte an den Palast, in dem sie aufgewachsen war und den sie immer geliebt hatte. Wie das Licht durch die Fenster aus dem vierzehnten Jahrhundert fiel. Wie der Garten zu den verschiedenen Jahreszeiten aussah. Sie fand ihn immer im Sommer am schönsten, wenn der Duft der Blüten schwer in der Luft lag und die Rosen im Überfluss wuchsen.
Was für ein Kontrast zu dem Geruch nach Meerwasser und Zitronenblüten, den sie hier einatmete.
Doch das hier war jetzt ihr Zuhause. Hier, am Rande von Valencia, hatte sie sich neu erfinden können, war aus ihrem Schmerz und ihrem Schock als jemand Neues aufgetaucht. Als jemand, der unabhängig war. Und wichtiger noch: als jemand, dernicht königlich war. Sie mochte sich verzweifelt nach einer Rückkehr zum Palast und ihrer Familie sehnen, aber das hieß nicht, dass sie sich nicht in ihr neues Leben verliebt hatte. Die meisten hätten es als ruhig und langweilig bezeichnet, aber Amelia war nicht die typische Vierundzwanzigjährige. Sie war auf so vielen Partys, Bällen und Urlauben in Übersee gewesen, dass es für ein ganzes Leben reichte. Jetzt war sie glücklich damit, einfach zu existieren.
Vielleicht brauchte sie diese Ruhe immer noch, um zu heilen, sich von dem Schock und dem gebrochenen Herzen zu erholen, von dem tiefen Gefühl des Verrats, das zu ihrem Rückzug von der Welt geführt hatte.
Eine Möwe flog über sie hinweg, und Amelia schaute ihr einen Moment lang sehnsüchtig hinterher, bevor sie ihren Rucksack schulterte und auf den Jachthafen zuging, in dem zwischen den schicken Privatjachten zum Glück auch noch ein paar Fischerboote ankerten.
Diese Gegend war immer mehr zu einem Viertel der R