Eine Erzählung von Adalbert Stifter
Adalbert Stifter entführt uns mitDer Nachsommer in eine Welt voller Harmonie, Ästhetik und feinsinniger Beobachtungen. Diese einzigartige Erzählung, die oft als Höhepunkt seiner literarischen Schaffenskunst betrachtet wird, zeichnet das Ideal eines Lebens, das in Einklang mit der Natur, der Kunst und der Moral steht. Mit einer unvergleichlichen Detailtreue beschreibt er Landschaften und Objekte, die inneren Wandlungen seiner Figuren, wodurch er eine fast meditative Ruhe und Tiefe schafft – es ist eine Einladung, sich auf eine langsame, bewusste und sinnreiche Lebensweise einzulassen. Es ist eine Hymne auf die Schönheit des Einfachen, die Stärke des Guten und die innere Reifung, die nur durch Geduld und Hingabe erreicht werden kann. Es fordert uns auf, innezuhalten und den Wert der kleinen Dinge im Leben neu zu entdecken – eine Botschaft, die in ihrer Zeitlosigkeit noch heute berührt:
Desre Roman schildert den Entwicklungsweg des jungen Helden Heinrich Drendorf, der in seiner Suche nach einem harmonischen Leben reift. Die Geschichte erkundet das Zusammenspiel von Mensch, Natur und Kunst und zeichnet sich durch eine meditative Ruhe und eine detaillierte Beschreibung der Natur und der alltäglichen Dinge aus. Heinrich begegnet dabei unterschiedlichen Figuren, die jeweils symbolische Werte vertreten und ihn in seiner Entwicklung beeinflussen. Werte werden betont wie Geduld, moralische Integrität und Schönheit in der Einfachheit; eine Aufforderung an die Leser:innen, über die Bedeutung eines erfüllten und bewussten Lebens nachzudenken.
Adalbert Stifter, geboren am 23. Oktober 1805 in Oberplan, Böhmen, im heutigen Tschechien, zählt zu den bedeutendsten Erzählern des 19. Jahrhunderts. Der Sohn eines Leinwebers und Garnhändlers wuchs in einfachen Verhältnissen auf, zeigte jedoch früh eine außergewöhnliche Begabung und eine enge Verbindung zur Natur, die sein späteres Werk nachhaltig prägten. Stifter studierte zunächst Rechtswissenschaften in Wien, wandte sich jedoch bald der Malerei und schließlich der Schriftstellerei zu – einer Berufung, durch die er unvergessliche Werke schuf. Bekannt für seinen unverwechselbaren Stil, der präzise Naturbeschreibungen mit einer tiefen moralischen und philosophischen Dimension verbindet, hinterließ er Klassiker wieDer Nachsommer undBunte Steine. In seinen Werken erforschte er das Wechselspiel zwischen Mensch und Natur, Harmonie und Konflikt, stets mit einer ruhigen, reflektierenden Erzählweise, die ihn von anderen Schriftstellern seiner Zeit abhob. Trotz seiner literarischen Erfolge litt Stifter unter persönlichen Herausforderungen und gesundheitlichen Problemen, die sein Leben und Schaffen überschatteten. Er verstarb am 28. Januar 1868 in Linz, Österreich. Stifters einzigartiger Blick auf die Welt lädt uns ein, die Schönheit und Tiefe des Lebens zu begreifen – eine Botschaft, die in seiner Zeit wie auch heute bedeutend bleibt. Mit diesem Hintergrund entfaltet sich das WerkDer Nachsommer als ein literarisches Meisterwerk, das nicht nur zum Lesen, sondern auch zum Nachdenken inspiriert. Bereit für diese harmonische Reise?
Dinslaken im Januar 2025
Mein Vater war ein Kaufmann. Er bewohnte einen Teil des ersten Stockwerkes eines mäßig großen Hauses in der Stadt, in welchem er zur Miete war. In demselben Hause hatte er auch das Verkaufsgewölbe, die Schreibstube nebst den Warenbehältern und anderen Dingen, die er zu dem Betriebe seines Geschäftes bedurfte. In dem ersten Stockwerke wohnte außer uns nur noch eine Familie, die aus zwei alten Leuten bestand, einem Manne und seiner Frau, welche alle Jahre ein oder zwei Male bei uns speisten, und zu denen wir und die zu uns kamen, wenn ein Fest oder ein Tag einfiel, an dem man sich Besuche zu machen oder Glück zu wünschen pflegte. Mein Vater hatte zwei Kinder, mich, den erstgeborenen Sohn, und eine Tochter, welche zwei Jahre jünger war als ich. Wir hatten in der Wohnung jedes ein Zimmerchen, in welchem wir uns unseren Geschäften, die uns schon in der Kindheit regelmäßig aufgelegt wurden, widmen mußten, und in welchem wir schliefen. Die Mutter sah da nach und erlaubte uns zuweilen, daß wir in ihrem Wohnzimmer sein und uns mit Spielen ergötzen durften.
Der Vater war die meiste Zeit in dem Verkaufsgewölbe und in der Schreibstube. Um zwölf Uhr kam er herauf, und es wurde in dem Speisezimmer gespeiset. Die Diener des Vaters speisten an unserem Tische mit Vater und Mutter, die zwei Mägde und der Magazinsknecht hatten in dem Gesindezimmer einen Tisch für sich. Wir Kinder bekamen einfache Speisen, der Vater und die Mutter hatten zuweilen einen Braten und jedesmal ein Glas guten Weines. Die Handelsdiener bekamen auch von dem Braten und ein Glas desselben Weines. Anfangs hatte der Vater nur einen Buchführer und zwei Diener, später hatte er viere.
In der Wohnung war ein Zimmer, welches ziemlich groß war. In demselben standen breite, flache Kästen von feinem Glanze und eingelegter Arbeit. Sie hatten vorne Glastafeln, hinter den Glastafeln grünen Seidenstoff, und waren mit Büchern angefüllt. Der Vater hatte darum die grünen Seidenvorhänge, weil er es nicht leiden konnte, daß die Aufschriften der Bücher, die gewöhnlich