1. KAPITEL
Von allen Seiten stürmten bittersüße Erinnerungen auf sie ein, als Dr. Nikhat Zakhari dem uniformierten Wachmann durch den Flur des Palasts von Dahaar folgte. Vor acht Jahren hatte sie hier jeden Gang, jeden Winkel gekannt. Dieser Palast, die königliche Familie, sie waren Teil eines Traums gewesen, den sie als naive Zweiundzwanzigjährige gewoben hatte.
Bis der Traum zerplatzt und sie am Boden zerstört gewesen war.
Nachdem sie das Büro betreten hatte, schloss der Wachmann hinter ihr die Tür. Die Absätze ihrer Pumps, die sie statt der sonst üblichen Crocs trug, versanken in dem dicken Teppich.
Sie war schon einmal in diesem Büro gewesen, als sie den Kronprinzen noch liebte. Damals hatten sie sich wie Diebe nachts in diesen Raum geschlichen.
Trotz der langärmligen dicken Seidenjacke war ihr plötzlich kalt bei der Erinnerung.
Ihr Blick ging zu dem großen Foto, das hinter dem Schreibtisch aus dunklem Sandelholz hing. Es zeigte die königliche Familie.
Alle lächelten auf diesem Bild – König Malik und Königin Fatima, Ayaan und Amira. Nur Azeez nicht. Und daran war sie schuld gewesen.
Obwohl tausende von Meilen getrennt, hatte sie das Gefühl gehabt, ihre eigene Familie zu verlieren, als sie von dem Anschlag hörte. Mit zitternden Fingern strich sie über Azeez’ Gesicht und seufzte leise.
Sie konnte und wollte dieser Erinnerung nicht so viel Macht einräumen, sich das zerstören lassen, was sie sich mühsam aufgebaut hatte.
„Wie ist es dir ergangen, Nikhat?“
Sie drehte sich um und starrte den neuen Kronprinzen an. Ayaan bin Riyaaz Al-Sharif, dem sie als Jungen Nachhilfe in Chemie gegeben hatte. Sein Blick aus kupfergoldenen Augen zeigte Wärme. Doch seine angespannten Züge, die denen von Azeez so sehr ähnelten, nahmen ihr den Atem.
Als sie damals von dem Anschlag der Terroristen gehört hatte, war sie zutiefst schockiert gewesen. Dass sie Ayaan nach so vielen Jahren nun gesund wiedersah, erfüllte sie mit Freude. Sie ging zu ihm und umarmte ihn spontan.
Vor acht Jahren hätte sie das nicht gewagt.
Als er leise lachte, trat Nikhat zurück und kämpfte gegen den Drang an, sich für ihre impulsive Geste zu entschuldigen. Auch wenn es sie erschütterte, wieder hier zu sein, war sie nicht gebrochen. Eine Frau, die obendrein nicht einmal in verwandtschaftlicher Beziehung zur Königsfamilie stand, würde den Kronprinzen nie umarmen. Aber sie war ni