1. KAPITEL
Was für ein Ort! Das Meer befand sich praktisch gleich vor der Haustür. Ein runder, weißer Leuchtturm erhob sich ganz in der Nähe und verlockte hinaufzusteigen. Die Sonne beschien eine herrlich wilde, felsige Küste. Neben dem Haus ragten riesige Kiefern in den Himmel empor, die den Besitz vom Nachbargrundstück trennten. Und keine einzige Frau in Sichtweite.
Das war Seth Connors Vorstellung vom Paradies.
Er massierte sich den verspannten Nacken. Die Fahrt von Atlanta nach Maine zusammen mit einem unruhigen hundertfünfzig Pfund schweren Neufundländer war ziemlich anstrengend gewesen. Und Seth gehörte zu den Menschen, die nicht lange sitzen konnten. Er brauchte ständig körperliche Bewegung.
Aber jetzt hatte er ja sein Ziel erreicht. Er atmete tief die würzige Luft ein, die in einer frischen Brise vom Atlantik herüberwehte und ihn mit neuem Leben erfüllte. Jezebel sauste übermütig an ihm vorbei. Die Hündin war ebenso wild darauf, ihre angestaute Energie loszuwerden, wie Seth.
Er wandte sich dem Haus zu. Sein jüngerer Bruder Gordon war schon hier gewesen und hatte ihm alles beschrieben. Aber er hatte dem Haus keine Gerechtigkeit widerfahren lassen. Es war drei Etagen hoch und hatte dunkelgrüne Fensterläden. Die Wand im obersten Stock war mit Efeu bewachsen. Seth liebte alte Dinge, und dieses Haus sah aus, als hätte es schon einige Stürme im Laufe der vielen Jahre standgehalten. Immerhin datierte es bis in die Anfänge des achtzehnten Jahrhunderts zurück. In eine Zeit, in der die Menschen, wie Seth fand, den Verstand besessen hatten, Dinge zu schaffen, die beständig waren. Dieses Haus strahlte jedenfalls Beständigkeit aus und besaß irgendwie Charakter. Seth wusste beides zu schätzen. Sein Bruder hatte ihm nie von der eigenwilligen Schönheit dieses Hauses erzählt, und das wahrscheinlich, weil er zu sehr damit beschäftigt gewesen war, ihn vor einem Geheimnis zu warnen, das angeblich das Haus umgeben sollte.
Der Gedanke ließ Seth lächeln. Sein jüngerer Bruder war ein hervorragender Musiker und sehr talentiert, aber offenbar etwas zu sehr fantasiebegabt. Das einzige Geheimnis war, aus welchem Grund ihr Großvater dieses Haus überhaupt besessen hatte, aber da er nicht mehr lebte, würden sie es wohl auch nie erfahren. Das Problem, mit dem sie im Augenblick fertig werden mussten, war sehr viel greifbarer und nicht im geringsten geheimnisvoll. Irgendwie mussten sie die unerwartete und unhandliche Erbschaft loswerden. Gordon war vor sechs Monaten hergekommen, um nach dem Rechten zu sehen und eventuell schon Käufer zu finden. Aber dann war er von seiner Aufgabe abgelenkt worden, weil er sich verliebt hatte.
Die Chancen, dass ihm selbst das gleiche passierte, standen etwa fünftausend zu eins.
Er pfiff durch die Zähne, und prompt kam Jezebel an seine Seite gehechtet und wedelte begeistert mit dem Schwanz. „Komm, mein Mädchen, wir sehen uns mal das Haus von innen an.“ Nachdem er seinen Werkzeugkasten und eine große Tüte Hundefutter aus dem Lieferwagen geholt hatte, ging er auf dem Fußpfad zu dem Haus hinüber. Mit etwas Mühe gelang es ihm, den Schlüssel in das Schloss der schweren Eichentür zu stecken. Knarrend schwang sie nach innen auf.
Seth konnte gerade noch einen Blick in eine riesige Eingangshalle mit einer offenen Treppe aus Mahagoniholz werfen, da drehte Jezebel plötzlich durch. Sie schnupperte kurz, hob erschrocken den Kopf und heulte auf. Voller Panik drängte sie sich geg