: Paul Heyse
: André Hoffmann
: Andrea Delfin, L'Arrabbiata und Das Mädchen von Treppi Novellen
: Andhof
: 9783736429840
: 1
: CHF 1.80
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: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 200
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Venedig, die sonnige Küste Süditaliens, die rauen Berge der Toskana - drei Schauplätze, drei Schicksale, drei Geschichten voller Leidenschaft, Stolz und unerbittlicher Entscheidungen. In den dunklen Gassen der Lagunenstadt bewegt sich ein Mann mit einem einzigen Ziel: Rache. Andrea Delfin ist ein Schatten unter Maskierten, ein Einzelner gegen ein übermächtiges System. Doch kann er der tödlichen Umklammerung der Geheimpolizei entkommen, oder wird er selbst zum Opfer der Intrigen, die er bekämpfen will? Weiter südlich, wo die Wellen des Mittelmeers an die Klippen schlagen, rudert eine junge Frau schweigend über das glitzernde Wasser. L'Arrabbiata, die Zornige, nennen sie die Leute, denn niemand kennt die Wunden, die sie verbergen will. Als der junge Künstler Antonio ihr begegnet, entfacht ein ungleiches Spiel aus Stolz, Misstrauen und unausgesprochener Sehnsucht. Doch können Worte eine Mauer niederreißen, die so lange gewachsen ist? Und in den Bergen, wo das Leben karg und entbehrungsreich ist, ringt ein junges Mädchen mit ihrem Schicksal. Gemma, Das Mädchen von Treppi, lebt in Armut, doch sie besitzt etwas, das wertvoller ist als Gold: ihre Unschuld. Als ein reicher Mann ihr ein anderes Leben verspricht, steht sie am Scheideweg zwischen Versuchung und Angst, zwischen Hoffnung und drohender Schande. Ist der Preis für ein besseres Leben zu hoch - oder gibt es einen Ausweg aus der scheinbar unabwendbaren Zukunft? Drei Erzählungen, drei Figuren, deren Wege von Liebe, Rache und Ehre geprägt sind - und die doch alle vor der gleichen Frage stehen: Ist das Schicksal vorherbestimmt, oder kann der Mensch seine eigene Geschichte schreiben? Andrea Delfin: Venedig - die Stadt der Masken, der glitzernden Feste, aber auch der finsteren Intrigen. Im Schatten der prächtigen Paläste lauert eine Macht, die über Leben und Tod entscheidet: die venezianische Geheimpolizei. Wer in ihr Visier gerät, verschwindet spurlos - verschlungen von den düsteren Wassern der Lagune. In diese Welt kehrt Andrea Delfin zurück, ein Mann mit einem einzigen Ziel: Rache. Er ist geschickt, klug und geduldig, doch er weiß, dass jeder Schritt in der Stadt der tausend Augen sein letzter sein könnte. Während sich seine Pläne entfalten, verstrickt er sich immer tiefer in das Netz aus Täuschung, Misstrauen und Gefahr. Kann ein einzelner Mann das unbestechliche System der Macht herausfordern - oder wird er selbst zu dessen Opfer? L'Arrabbiata: Die Wellen des tyrrhenischen Meeres schlagen gegen das Boot, während die junge Laurella mit kräftigen Ruderschlägen den kleinen Kahn über das glitzernde Wasser steuert. Sie spricht kaum ein Wort, ihr Blick ist scharf, ihr Gesicht verschlossen. Die Dorfbewohner nennen sie nur 'L'Arrabbiata' - die Zornige. Keiner wagt es, ihr nahe zu kommen, denn hinter ihrer stolzen, fast feindseligen Haltung scheint ein unnahbares Geheimnis zu liegen. Als der junge Maler Antonio in ihr Leben tritt, beginnt ein stilles, doch unausweichliches Duell zwischen Stolz und Zuneigung. Während das goldene Licht des Südens ihre Begegnungen erhellt, wirft Laurellas Vergangenheit dunkle Schatten. Kann Antonio die Mauern ihres Herzens durchbrechen - oder wird sie für immer in ihrem Schmerz gefangen bleiben?

Paul Heyse - Ein Meister der Erzählkunst und des poetischen Realismus In einer Zeit, in der die deutsche Literatur zwischen Romantik und Realismus schwankte, trat ein Mann hervor, dessen Worte Kunstwerke schufen - Paul Heyse. Als Geschichtenerzähler von außergewöhnlicher Eleganz brachte er mit seinen Novellen, Romanen und Dramen Figuren zum Leben, die zwischen Leidenschaft und Pflicht, zwischen Liebe und Ehre rangen. Seine Erzählungen entführten Leser in malerische Landschaften Italiens, in die düsteren Gassen Venedigs oder die kargen Dörfer der Toskana - doch hinter der Schönheit seiner Sprache verbargen sich oft schicksalhafte Entscheidungen und tiefgehende moralische Konflikte. 1910 wurde er als erster deutscher Schriftsteller mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet - eine Ehrung für seine 'vorbildliche Reinheit' in der Kunst des Erzählens. Doch was machte sein Werk so besonders? War es die kunstvolle Sprache, die psychologische Tiefe seiner Figuren oder die unerschütterliche Frage nach dem menschlichen Schicksal? Seine Geschichten sind mehr als nur literarische Meisterwerke - sie sind Fenster in eine Welt, in der die großen Fragen des Lebens zeitlos bleiben.

Andrea Delfin: Eine venezianische Novelle


In jener Gasse Venedigs, die den freundlichen Namen „Bella Cortesia“ trägt, stand um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein einfaches, einstöckiges Bürgerhaus, über dessen niedrigem Portal, von zwei gewundenen hölzernen Säulen und barockem Gesims eingerahmt, ein Madonnenbild in der Nische thronte und ein ewiges Lämpchen bescheiden hinter rotem Glas hervorschimmerte. Trat man in den unteren Flur, so stand man am Fuße einer breiten, steilen Treppe, die ohne Windung zu den oberen Zimmern hinaufführte. Auch hier brannte Tag und Nacht eine Lampe, die an blanken Kettchen von der Decke herabhing, da in das Innere nur Tageslicht eindrang, wenn einmal die Haustür geöffnet wurde. Aber trotz dieser ewigen Dämmerung war die Treppe der Lieblingsaufenthalt von Frau Giovanna Danieli, der Besitzerin des Hauses, die seit dem Tode ihres Mannes mit ihrer einzigen Tochter Marietta das ererbte Häuschen bewohnte und einige überflüssige Zimmer an ruhige Leute vermietete. Sie behauptete, die Tränen, die sie um ihren lieben Mann geweint, hätten ihre Augen zu sehr geschwächt, um das Sonnenlicht noch zu vertragen. Die Nachbarn aber sagten ihr nach, daß sie nur darum von Morgen bis Abend auf dem oberen Treppenabsatz ihr Wesen treibe, um mit jedem, der aus- und einginge, anzubinden und ihn nicht vorüberzulassen, eher er ihrer Neugier und Gesprächigkeit den Zoll entrichtet habe. Um die Zeit, wo wir sie kennen lernen, konnte dieser Grund sie schwerlich bewegen, den harten Sitz auf der Treppenstufe einem bequemen Sessel vorzuziehen. Es war im August des Jahres 1762. Schon seit einem halben Jahr standen die Zimmer, die sie vermietete, leer, und mit ihren Nachbarn verkehrte sie wenig. Dazu ging es schon auf die Nacht, und ein Besuch um diese Zeit war ganz ungewöhnlich. Dennoch saß die kleine Frau beharrlich auf ihrem Posten und sah nachdenklich in den leeren Flur hinab. Sie hatte ihr Kind zu Bett geschickt und ein paar Kürbisse neben sich gelegt, um sie noch vor Schlafengehen auszukernen. Aber allerlei Gedanken und Betrachtungen waren ihr dazwischen gekommen. Ihre Hände ruhten im Schoß, ihr Kopf lehnte am Geländer, es war nicht das erste Mal, daß sie in dieser Stellung eingeschlafen war.

Sie war auch heute nahe daran, als drei langsame, aber nachdrückliche Schläge an die Haustür sie plötzlich aufschreckten. Misericordia! sagte die Frau, indem sie aufstand, aber unbewegliche stehen blieb, was ist das? Hab' ich geträumt? Kann er es wirklich sein?

Sie horchte. Die Schläge mit dem Klopfer wiederholten sich. Nein, sagte sie, Orso ist es nicht. Das klang anders. Auch die Sbirren sind es nicht. Laß sehen, was der Himmel schickt.—Damit stieg sie schwerfällig hinunter und fragte durch die Tür, wer Einlaß begehre.

Eine Stimme antwortete: es stehe ein Fremder draußen, der hier eine Wohnung suche. Das Haus sei ihm gut empfohlen; er hoffe, lange zu bleiben und die Wirtin wohl zufrieden zu stellen. Das alles wurde höflich und in gutem Venezianisch vorgetragen, so daß Frau Giovanna, trotz der späten Zeit, sich nicht bedachte, die Tür zu öffnen. Der Anblick ihres Gastes rechtfertigte ihr Vertrauen. Er trug, soviel sie in der Dämmerung sehen konnte, die anständige schwarze Kleidung des niederen Bürgerstandes, einen ledernen Mantelsack unter dem Arm, den Hut bescheiden in der Hand. Nur sein Gesicht befremdete die Frau. Es war nicht jung, nicht alt, der Bart noch dunkelbraun, die Stirn faltenlos, die Augen feurig, dagegen der Ausdruck des Mundes und die Art zu sprechen müde und überlebt, und das kurzgeschorene Haar in seltsamem Gegensatz zu den noch jugendlichen Zügen völlig ergraut.

Gute Frau, sagte er, ich habe Euch schon im Schlafe gestört, und sogar vielleicht vergebens. Denn, um es gleich zu sagen: wenn Ihr kein Zimmer habt, das auf einen Kanal hinausgeht, bin ich nicht Euer Mieter. Ich komme von Brescia, mein Arzt hat mir die feuchte Luft Venedigs empfohlen für meine schwache Brust; ich soll überm Wasser wohnen.

Nun Gott sei Dank! sagte die Witwe, so kommt doch einmal einer, der unserem Kanal Ehre antut. Ich hatte einen Spanier vorigen Sommer, der auszog, weil er sagte, das Wasser habe einen Geruch, als wären Ratten und Melonen darin gekocht worden! Und Euch ist es empfohlen worden? Wir sagen wohl hier in Venedig:

Wasser vom Kanal. Kuriert radikal.

Aber es hat einen eigenen Sinn, Herr, einen bösen Sinn, wenn man bedenkt, wie manches Mal auf Befehl der Oberen eine Gondel mit Dreien auf die Lagunen hinausfuhr und mit Zweien wiederkam. Davon nichts mehr, Herr—Gott behüt' uns alle! Aber habt Ihr Euren Paß in Ordnung? Ich könnt' Euch sonst nicht aufnehmen.

Ich hab' ihn schon drei Mal präsentiert, gute Frau, in Mestre, bei der Wachtgondel draußen und am Traghetto. Mein Name ist Andrea Delfin, mein Stand rechtskundiger Schreiber bei den Notaren, als welcher ich in Brescia fungiert habe. Ich bin ein ruhiger Mensch und habe nie mit der Polizei gern zu schaffen gehabt.

Um so besser, sagte die Frau, indem sie jetzt ihrem Gaste voran die Treppe wieder hinaufstieg. Besser bewahrt als beklagt, ein Aug' auf die Katze, das andere auf die Pfanne, und es ist nützlicher, Furcht zu haben als Schaden. O, über die Zeiten, in denen wir leben, Herr Andrea! Man soll nicht drüber nachdenken. Denken verkürzt das Leben, aber Kummer schließt das Herz auf. Da seht, und sie öffnete ein großes Zimmer, ist es nicht hübsch hier, nicht wohnlich? Dort das Bett, mit meinen eigenen Händen hab' ich's genäht, als ich jung war, aber am Morgen kennt man nicht den Tag. Und da ist das Fenster nach dem Kanal, der nicht breit ist, wie Ihr seht, aber desto tiefer, und das andere Fenster dort nach der kleinen Gasse, das Ihr zuhalten müßt, denn die Fledermäuse werden immer dreister. Seht da überm Kanal, fast mit der Hand abzureichen, der Palast der Gräfin Amidei, die blond ist wie das Gold und durch ebensoviel Hände geht. Aber hier steh' ich und schwatze, und Ihr habt noch weder Licht noch Wasser und werdet hungrig sein.

Der Fremde hatte gleich beim Eintreten das Zimmer mit raschem Blick gemustert, war von Fenster zu Fenster gegangen und warf jetzt seinen Mantelsack auf einen Sessel. Es ist alles in der besten Ordnung, sagte er. Über den Preis werden wir uns wohl einigen. Bringt mir nur einen Bissen und, wenn Ihr ihn habt, einen Tropfen Wein. Dann will ich schlafen.

Es war etwas seltsam Gebieterisches in seiner Gebärde, so milde der Ton seiner Worte klang. Eilig gehorchte die Frau und ließ ihn auf kurze Zeit allein. Nun trat er sofort wieder ans Fenster, bog sich hinaus und sah den sehr engen Kanal hinab, der durch kein Zittern seiner schwarzen Flut verriet, daß er teilhabe an dem Leben des großen Meeres, dem Wellenschlag der alten Adria. Der Palast gegenüber stieg in schwerer Masse vor ihm auf, alle Fenster waren dunkel, da die Vorderseite nicht dem Kanal zugekehrt war; nur eine schmale Tür