Dass unsere Bosse – die Chief Executive Officers und Topmanager in Großkonzernen und Familienunternehmen – nur an schnellen Profit, maximale Rendite und hohe Dividenden für ihre Stakeholder denken, behaupten nur noch radikale Kritiker, die mit einem Buch von Karl Marx unter dem Arm herumlaufen. Die Zeiten sind längst vorüber, zu denen ein Mann wie Milton Friedman Nobelpreisträger werden konnte, dessen Botschaft lautete: „Die soziale Verantwortung von Unternehmen ist es, den Gewinn zu steigern.“ Längst wollen die Chefs und die Belegschaften auch einen übergeordneten Zweck erfüllen, einen Sinn in ihrer Arbeit erkennen – einen Purpose. Was tun wir da eigentlich den ganzen Tag? Für wen produzieren wir? Wozu? Besonders intensiv arbeiten Tüftler und Denkerinnen, Investorinnen und Visionäre an technischen Lösungen für das größte menschengemachte Problem unserer Zeit: den Klimawandel. Manchen mag es nicht schnell genug gehen, aber die „Kapitalisten“ leisten ihren Beitrag. Um die Welt vor dem „Untergang“ zu retten, folgen sie dem Ruf der Politik nach Veränderung mit Elektroautos statt Verbrennern, mit Windrädern statt Kohlekraftwerken, kurz: mit Technologien, die weniger CO2 ausstoßen. Unternehmen erweisen sich als vernünftig: mehr Gemeinsinn statt Eigensinn; sie sind grüner geworden, wollen nachhaltiger werden, gar die Welt zu einem besseren Ort machen – Zuversicht vermitteln auf eine bessere Zukunft. Und das sind beileibe nicht nur Marketingbekenntnisse, Etikettenschwindel und Greenwashing.
Aber dort, in den Zentralen unserer fortschrittlichen Konzerne und großen Familienunternehmen, erkennen wir auch Sorgen, Unruhe, Angst, Ratlosigkeit. Weil die Mission Zukunft Rohstoffe braucht, die wir nicht besitzen und die schwer zu produzieren sind: die Elemente der Seltenen Erden (SEE) wie Praseodym und Neodym, Terbium und Dysprosium sowie Technologiemetalle (TM) wie Germanium und Gallium, Indium und Hafnium. Sie sind teuer und nicht immer ohne Weiteres verfügbar. Wir brauchen sie so dringend wie ein Trinker seine Flasche, wie ein Junkie seinen Stoff, und wir brauchen sie immer wieder und immer mehr davon. Unsere Hightechindustrie ist abhängig von diesen Metallen, wenn wir eine gute Zukunft für uns und das Klima nicht nur erträumen oder herbeifantasieren wollen. SEE und TM helfen uns tatsächlich, Technologien zu entwickeln, mit denen wir das CO2-Zeitalter überwinden und das Schlimmste noch verhindern können; sie sind der Stoff, aus dem die Träume für eine bessere, lebenswertere Welt sind. Wir sind abhängig und wollen das auch gar nicht ändern, zu gut sind die Aussichten mit diesem Stoff. Nur hätten wir gern weitere Lieferanten, um freier zu handeln und um weniger erpressbar zu sein. Aber nach neuen Lieferanten sucht die ganze Welt.
Seltene Erden und Technologiemetalle
Die Elemente der Seltenen Erden (SEE) werden häufig zu den Technologiemetallen gezählt. Wir betrachten sie allerdings als eigene Gruppe. Sie sind im Periodensystem Nachbarn, die sich durch ähnliche Eigenschaften und Anwendungsbereiche wie bspw. Magnete auszeichnen. Das Wort ‚Technologiemetalle‘ (TM) verwenden wir als Sammelbegriff für die übrigen in der Spitzentechnologie stark nachgefragten knappen und besonderen Metalle. Sie liegen im Periodensystem nicht unbedingt nebeneinander und können sich hinsichtlich ihrer Funktion stark voneinander unterscheiden.
Wir haben diesem Buch den Titel „Das Kokain der Industrie“ gegeben. „Kokain“, weil unsere Industrie von Seltenen Erden& Co. abhängig ist,
weil uns noch geringe Mengen genügen, aber unser Verlangen danach wächst,
weil unser aller Wohlstand, unser Glücksgefühl, davon abhängt, dass wir pünktlich beliefert werden,