: Andreas Knie
: Wo kommen bloß die vielen Autos her und wie werden wir sie wieder los?
: Alexander Verlag Berlin
: 9783895816376
: 1
: CHF 13.10
:
: Erzählende Literatur
: German
: 250
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Leben mit weniger Autoverkehr? Sind Sie auch von den vielen Autos genervt, und vielleicht sogar von Ihrem eigenen Auto, das Sie längst abschaffen wollten, aber immer noch brauchen? Immer mehr Verkehr und parkende Autos verstopfen die Straßen, und das gilt als völlig normal. Familie, Arbeit, Urlaub und Wochenendeinkauf - alles funktioniert nur mit dem Auto. Warum ist das so? Und kann man das ändern? Der Mobilitätsforscher Knie zeigt auf, dass dieser »Erfolg« auf langjährigen staatlichen Subventionen basiert. Mittlerweile sind es zu viele Fahrzeuge, und dadurch verliert das Auto mehr und mehr seine eigentliche Funktion: Es wird unpraktisch und ist dabei, sich abzuschaffen. »Der Zauber des Autos ist verflogen. Jetzt wird es Zeit für einen Wandel. Die ersten gelungenen Beispiele gibt es schon, viele Stadtteile verwandeln sich in ?Shared Spaces?. Aber es braucht mut, denn noch herrschen die alten Konventionen.« Andreas Knie

Andreas Knie (*1960) ist seit 1996 Professor für Soziologie an der TU Berlin. Gemeinsam mit Weert Canzler leitet er am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin (WZB) die Forschungsgruppe »Digitale Mobilität«. Von 2002 bis 2016 war er Bereichsleiter bei der Deutschen Bahn AG und von 2006 bis 2018 Geschäftsführer des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) in Berlin. Er war an zahlreichen Innovationen im Verkehrssektor federführend beteiligt.

1Das Auto im Kopf


Was ist passiert? Bei der letzten Berliner Landtagswahl warb die CDU mit Plakaten, auf denen zu lesen war: »Berlin, lass dir das Auto nicht verbieten.« Die FDP-Bundespartei verabschiedete im August 2024 ein Grundsatzpapier »Pro Auto«; der erste Satz darin lautet: »Kommunen, Länder und Europäische Union müssen sich zum Automobil bekennen.« Das Auto wird plötzlich begründungs- und sogar bekenntnispflichtig. Es ist also nicht mehr selbstverständlich. Es wird diskutiert. Das Auto wird sozusagen »politisch«. Vor wenigen Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Autos waren einfach da! Plötzlich rückt eine jahrzehntelang unhinterfragte Realität in den Fokus. Europäische Hauptstädte wie London, Paris, Mailand oder Stockholm beginnen, den Funktionsraum des Autos in den Innenstädten drastisch einzuschränken; in deutschen Städten tauchen immer mehr Durchfahrtssperren auf; Abstellmöglichkeiten werden reduziert, dabei galt das Parken von privaten Autos auf öffentlichen Flächen bislang als normal. Aufregung gab es nur, wenn dafür Gebühren erhoben wurden, die selbstverständlich immer als zu hoch, zu willkürlich und als sozial ungerecht empfunden wurden. Aktuell sollen viele Stellplätze wieder ganz verschwinden.

Ohne Zweifel hat das Auto seine Strahlkraft eingebüßt. Mittlerweile wissen fast alle, dass die vielen Autos nicht gut für die Umwelt und das Klima sind; in den Ballungsräumen funktioniert die »freie Fahrt für freie Bürger« schon lange nicht mehr. Der Begriff der »Verkehrswende« macht die Runde und aktuelle Umfragen zeigen: Immer mehr Menschen wünschen sich weniger Autos, jedenfalls in den Städten.

Aber wie steht es um das Auto? Können wir uns tatsächlich vom Auto befreien? Sind moderne Gesellschaften nicht auf das Auto angewiesen? Brauchen Demokratie und wirtschaftlicher Wohlstand nicht das Auto als verkehrliche Grundlage? Viele Gewohnheiten, Annehmlichkeiten, aber auch Selbstverständlichkeiten in unserem Leben sind ohne Auto nicht möglich. Das Auto ist nicht nur eine Maschine zur Raumüberwindung, sondern hat uns und die Welt verändert. In Deutschland scheint das besonderes nachhaltig gelungen zu sein. Das von Kurt Tucholsky so trefflich beschriebene »Ideal« des Lebens mit dem Ku’damm vor der Tür, den Alpen im Hinterhof und dem Meer um die Ecke war die vorweggenommene Idee der schönen Autowelt. In seinem 1927 entstandenen GedichtDas Ideal geht es um die Wünsche und Vorstellungen vom idealen Wohnort:

Ja, das möchste:

Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,

vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;

mit schöner Aussicht, ländlich mondän,

vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn

aber abends zum Kino hast dus nicht weit

Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit …

Wie wir arbeiten, wie wir wohnen, wie wir Urlaub machen und uns in der Freizeit vergnügen: Die gesamte räumliche Konfiguration unseres Lebens ist auf das Auto angewiesen; ohne Auto würde es nicht funktionieren. Ohne Auto kein modernes Leben mit Familie, kein Eigenheim und kein Urlaub am Meer oder in den Bergen.

Das Auto war viele Jahre das Versprechen auf ein gutes Leben, der Traum vom privaten Glück. Wer Auto fahren konnte, hatte mehr Optionen und Aussicht auf eine bessere Arbeitsstelle, ein niveauvolleres Kulturangebot und eine anspruchsvollere Gastronomie. Wer sich automobil flexibel im Raum bewegte, kam auch sozial voran; die wirtschaftlichen Verhältnisse verbesserten sich. Die Rolle des Autos fiel dabei nicht auf, weil es fast alle so machten. Mittlerwe