Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das um seine eigene Endlichkeit weiß und Kulturen des Todes entwickelt hat. Zahlreiche Riten, Mythen und Religionen gestalten seit Jahrtausenden den Umgang mit dem Sterben als einen bewussten Abschied von den geliebten Personen und einen mahnenden Hinweis auf das bevorstehende eigene Ende. Der Alltag in der Moderne ist demgegenüber weitgehend frei von jeglicher Abschiedlichkeit: Wir stehen am Grab des geliebten Menschen, des nahen Freundes oder der bekannten Nachbarin, trauern und trösten einander … und wenden uns dann wieder einer überlebenssichernden Todesverdrängung zu, die es uns erlaubt, weiter nach vorne zu streben, ohne wirklich zu begreifen, dass sich unsere eigene Zukunftsperspektive mit jeder Stunde verkürzt. Der eigene Tod kommt uns täglich näher, während wir uns anderen Dingen widmen, statt unserer eigenen Antwort auf die Endlichkeit durch unser Leben bewusst Ausdruck zu verleihen.
Es mag sein, dass diese Todesvergessenheit im Alltag die einzige Haltung ist, die es uns erlaubt, das Leben entschlossen fortzusetzen, ohne an der eigenen Vorläufigkeit letztlich zu verzweifeln. Und auch die mit einer solchen Haltung verbundene Verdrängung der Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens erweist sich möglicherweise als nützlich. Diese Frage ist durch tiefes Nachdenken oder wissenschaftliche Analysen nicht zu klären – zumindest wirft jede Antwort neue unbeantwortbare Fragen auf. Sie lassen uns auf der verzweifelten Suche nach der sogenannten »Letztbegründung«, wie die Philosophen sagen, von einer Sackgasse in die nächste torkeln, ohne wirklich den tragfähigen Grund zu finden, den wir zu finden hoffen. Viele der Suchenden wagen schließlich einen Sprung, der sie in eine religiöse, existenzialistische, nihilistische oder gar zynische Antwort befördert, auf deren Basis sie ihre ganz eigene Gewissheit dann zu leben versuchen. Dieser Sprung trennt sie von anderen, die diesen Sprung nicht vollziehen oder in eine andere Richtung springen. Jede di