Kapitel 1
Lisa Collins’ schlanker Körper war zu einer Kugel zusammengerollt, und ihr Gesicht war nur wenige Zentimeter über dem Lehmboden, als sie ihre Nase und ihren Mund fest gegen ihren nackten, rußigen Arm preßte. Um sie herum stieg auf allen Seiten Rauch auf, dichter schwarzer Rauch, der hochzüngelte und sich in Schwaden voranwälzte und ölig in ihre Nase und ihre Kehle drang. Sie hustete erstickt und bemühte sich verzweifelt, den Laut zu dämpfen. Gott sei Dank war niemand in der Nähe, der sie hören konnte. Wenn sie sie hörten ... ein Schauer lief über ihren Rücken. Sie machte sich keine Illusionen darüber, was dann ihr Los sein würde.
Wenigstens hatten die Schreie aufgehört. Obwohl sie wußte, daß sie es nicht sein durfte, und auch wußte, was die Stille bedeutete, war Lisa bei allem Schuldbewußtsein dankbar dafür. Sie hatte geglaubt, verrückt zu werden, als sie den gequälten Schreien von Ian und Mary Blass und ihren drei Kindern gelauscht hatte, während sie in dem flammenden Inferno, das einst ihr Haus gewesen war, verbrannten. Wenn sie nicht draußen gewesen wäre, als die Soldaten kamen, wenn sie nicht vor dem Schlafengehen der Hütte einen kurzen Besuch abgestattet hätte, in der die sanitären Einrichtungen des Bauernhofes untergebracht waren, wäre sie jetzt auch tot. Sie wußte aber auch, daß sie bis jetzt noch nicht davongekommen war. Die Mörder waren noch da, umgaben sie auf allen Seiten und steckten alles in Brand, und sie schlachteten nicht nur Menschen, sondern auch Tiere ab. Die Schreie der Schweine und Kühe hatten sich mit denen der Blass’ vermengt ...
Natürlich waren es Guerillas. Lisa war nicht sicher, für welche Seite sie kämpften. Sie hatte gewußt, daß in Rhodesien Bürgerkrieg herrschte, als sie sich für den Auftrag beworben hatte, aber es war ihr so sehr als eine Fluchtmöglichkeit erschienen, die ihr der Himmel gesandt hatte, daß sie die Möglichkeit einer Gefahr kaum in Betracht gezogen hatte. Außerdem hatte sie in ihrer Naivität geglaubt, ihr Status als amerikanische Journalistin würde sie vor Gefahren schützen. Wie in so vielen anderen Dingen ihres Lebens hatte sie sich geirrt. Vielleicht würde sie diesen Irrtum mit dem Tod bezahlen müssen.
Der Rauch wurde mit jeder Sekunde dichter. Sie drohte zu ersticken. Lisa wußte, daß sie etwas unternehmen mußte, daß sie davonlaufen mußte, solange sie noch dazu in der Lage war, doch die Vorstellung, ihr Versteck zu verlassen und ohne Deckung über den Platz zu laufen, lähmte sie.
Auf der anderen Seite der dünnen Mauer trampelten Füße dicht neben ihrem Kopf. Lisa hielt den Atem an, als ein Mann in einer unverständlichen Sprache etwas schrie. Irgendwo über ihrem Kopf hörte sie einen dumpfen Laut. Dann aber entfernten sich die Schritte wieder zu ihrer großen Erleichterung.
Kaum hatte Lisa sich ein bißchen beruhigt, wurde ihr ein unheilvolles knisterndes Geräusch bewußt. Sie hob den Kopf, sah sich um und stellte fest, daß das gesamte hintere Ende der Hütte in einen glutroten Schein gehüllt war. Feuer! Winzige Flammen züngelten am Dach und rasten an den Wänden hinauf. Jetzt hatte sie keine Wahl mehr. Sie mußte davonlaufen. Panik stieg in ihr auf, als müsse sie sich übergeben. Sie fürchtete sich – fürchtete sich zu Tode. Sie hatte das Gefühl, sich nicht mehr rühren zu können. Aber das Grauen wurde ihr Verbündeter und zwang ihre verkrampften Glieder, langsam zur Tür zu kriechen. Ihr Atem stockte. Tränen hinterließen glühende Spuren auf ihrem Gesicht. Sie würde sterben, das wußte sie, hier auf dieser abgelegenen Farm im Süden von Rhodesien. Und sie war doch erst fünfundzwanzig! Es war eine Ungerechtigkeit! O Gott, es war so ungerecht!
Der Meter bis zur Tür kam ihr wie fünf Kilometer vor. Lisa fühlte sich vom Rauch benommen, und ihre Rückenmuskeln spannten sich in vergeblicher Abwehr gegen das Feuer an, das jetzt direkt über ihr tobte. Um sie herum fielen kleine brennende Holzsplitter auf den Boden. Lisa wußte, daß es nur noch eine Frage von Minuten war, bis das Dach einstürzte – und sie sterben würde. Ob Sterben wehtat? fragte sie sich. Natürlich tat es weh. Denk nur daran, wie die Blass’ g