Mortimer. Maria.Maria. Von meinem Oheim! Dem Kardinal von Lothringen aus Frankreich! (liest)
„Traut dem Sir Mortimer, der euch dieß bringt, Denn keinen treuern Freund habt ihr in England.“ (Mortimern mit Erstaunen ansehend) Ist’s möglich! Ist’s kein Blendwerk, das mich täuscht? So nahe find ich einen Freund und wähnte mich Verlassen schon von aller Welt – find ihn In euch, dem Neffen meines Kerkermeisters, In dem ich meinen schlimmsten Feind –Mortimer (sich ihr zu Füßen werfend). Verzeihung Für diese verhaßte Larve, Königin, Die mir zu tragen Kampf genug gekostet, Doch der ich’s danke, daß ich mich euch nahen, Euch Hülfe und Errettung bringen kann.Maria. Steht auf – Ihr überrascht mich, Sir – Ich kann So schnell nicht aus der Tiefe meines Elends Zur Hoffnung übergehen – Redet, Sir – Macht mir dieß Glück begreiflich, daß ich’s glaube.Mortimer (steht auf). Die Zeit verrinnt. Bald wird mein Oheim hier seyn, Und ein verhaßter Mensch begleitet ihn. Eh euch ihr Schreckensauftrag überrascht, Hört an, wie euch der Himmel Rettung schickt.
Maria. Er schickt sie durch ein Wunder seiner Allmacht!Mortimer. Erlaubt, daß ich von mir beginne.Maria. Redet, Sir!Mortimer. Ich zählte zwanzig Jahre, Königin, In strengen Pflichten war ich aufgewachsen, In finsterm Haß des Pabstthums aufgesäugt, Als mich die unbezwingliche Begierde Hinaus trieb auf das feste Land. Ich ließ Der Puritaner dumpfe Predigtstuben, Die Heimat hinter mir, in schnellem Lauf Durchzog ich Frankreich, das gepriesene Italien mit heißem Wunsche suchend. Es war die Zeit des großen Kirchenfests, Von Pilgerschaaren wimmelten die Wege, Bekränzt war jedes Gottesbild, es war, Als ob die Menschheit auf der Wandrung wäre, Wallfahrend nach dem Himmelreich – Mich selbst Ergriff der Strom der glaubenvollen Menge, Und riß mich in das Weichbild Roms – Wie ward mir, Königin! Als mir der Säulen Pracht und Siegesbogen,
Entgegenstieg, des Kolosseums Herrlichkeit Den Staunenden umfing, ein hoher Bildnergeist In seine heitre Wunderwelt mich schloß! Ich hatte nie der Künste Macht gefühlt, Es haßt die Kirche, die mich auferzog, Der Sinne Reiz, kein Abbild duldet sie, Allein das Körperlose Wort verehrend. Wie wurde mir, als ich ins Innre nun Der Kirchen trat, und die Musik der Himmel Herunterstieg, und der Gestalten Fülle Verschwenderisch aus Wand und Decke quoll, Das Herrlichste und Höchste, gegenwärtig, Vor den entzückten Sinnen sich bewegte, Als ich sie selbst nun sah, die Göttlichen, Den Gruß des Engels, die Geburt des Herrn, Die heilge Mutter, die herabgestiegne Dreifaltigkeit, die leuchtende Verklärung – Als ich den Pabst drauf sah in seiner Pracht Das Hochamt halten und die Völker segnen. O was ist Goldes, was Juweelen Schein, Womit der Erde Könige sich schmücken! Nur Er ist mit dem Göttlichen umgeben, Ein wahrhaft Reich der Himmel ist sein Haus, Denn nicht von dieser Welt sind diese Formen.Maria. O schonet mein! Nicht weiter. Höret auf,
Den frischen Lebensteppich vor mir aus Zu breiten – Ich bin elend und gefangen.Mortimer. Auch ich wars, Königin! und mein Gefängniß Sprang auf und frei auf einmal fühlte sich Der Geist, des Lebens schönen Tag begrüßend. Haß schwur ich nun dem engen dumpfen Buch, Mit frischem Kranz die Schläfe mir zu schmücken, Mich fröhlich an die Fröhlichen zu schließen. Viel edle Schotten drängten sich an mich Und der Franzosen muntre Landsmannschaften. Sie brachten mich zu eurem edeln Oheim, Dem Kardinal von Guise – Welch ein Mann! Wie sicher, klar und männlich groß! – Wie ganz Gebohren, um die Geister zu regieren! Das Muster eines königlichen Priesters, Ein Fürst der Kirche, wie ich keinen sah!Maria. Ihr habt sein theures Angesicht gesehn, Des vielgeliebten, des erhabnen Mannes, Der meiner zarten Jugend Führer war. O redet mir von ihm. Denkt er noch mein? Liebt ihn das Glück, blüht ihm das Leben noch, Steht er noch herrlich da, ein Fels der Kirche?
Mortimer. Der Treffliche ließ selber sich herab, Die hohen Glaubenslehren mir zu deuten, Und meines Herzens Zweifel zu zerstreun. Er zeigte mir, daß grübelnde Vernunft Den Menschen ewig in der Irre leitet, Daß seine Augen sehen müssen, was Das Herz soll glauben, daß ein sichtbar Haupt Der Kirche Noth thut, daß der Geist der Wahrheit Geruht hat auf den Sitzungen der Väter. Die Wahnbegriffe meiner kind’schen Seele, Wie schwanden sie vor seinem siegenden Verstand und vor der Suada seines Mundes! Ich kehrte in der Kirche Schooß zurück, Schwur meinen Irrthum ab in seine Hände.Maria. So seid ihr einer jener Tausende, Die er mit seiner Rede Himmelskraft Wie der erhabne Prediger des Berges Ergriffen und zum ew’gen Heil geführt!Mortimer. Als ihn des Amtes Pflichten bald darauf Nach Frankreich riefen, sandt’ er mich nach Rheims, Wo die Gesellschaft Jesu, fromm geschäftig, Für Englands Kirche Priester auferzieht.
Den edeln Schotten Morgan fand ich hier, Auch euren treuen Leßley, den gelehrten Bischof von Roße, die auf Frankreichs Boden Freudlose Tage der Verbannung leben – Eng schloß ich mich an diese Würdigen, Und stärkte mich im Glauben – Eines Tags, Als ich mich umsah in des Bischofs Wohnung, Fiel mir ein weiblich Bildniß in die Augen, Von rührend wundersamem Reiz, gewaltig Ergriff es mich in meiner tiefsten Seele, Und des Gefühls nicht mächtig stand ich da. Da sagte mir der Bischof: Wohl mit Recht Mögt ihr gerührt bei diesem Bilde weilen. Die schönste aller Frauen, welche leben, Ist auch die jammernswürdigste von allen, Um unsers Glaubens willen duldet sie, Und euer Vaterland ist’s, wo sie leidet.Maria. Der Redliche! Nein, ich verlor nicht alles, Da solcher Freund im Unglück mir geblieben.Mortimer. Drauf fing er an, mit herzerschütternder Beredsamkeit mir euer Märtyrthum Und eurer Feinde Blutgier abzuschildern. Auch euern