Man erzählt sich auch, am Nachmittag des 3. Januar 1855 habe Sultan Ahmad ibn Abu Bakr der ehrwürdigen Prophezeiung zum Trotz, die heilige Stadt werde untergehen, sobald ein Ungläubiger sie mit seiner Anwesenheit straflos besudelt haben würde, Captain Richard Francis Burton die Erlaubnis erteilt, die bislang makellosen Pforten seiner Stadt Harar zu durchschreiten. Er gewährte ihm eine zweifelhafte Gastfreundschaft von zehn Tagen, nach deren Ablauf er ihn gesund und wohlbehalten ziehen ließ – ein Privileg, das bislang kein einziger Europäer genossen hatte. Hätte er wissen können, dass Harar 1875 fallen sollte, während er selbst, neunzehn Jahre zuvor, verbittert und voller Reue, an Schwindsucht gestorben war, hätte Ahmad ibn Abu Bakr wahrscheinlich nicht den fatalen Fehler begangen, Captain Burton zu verschonen, und er hätte damit recht gehabt. Es ist keine Prophezeiung vonnöten, um zu wissen, dass der erste Reisende stets unzählige Katastrophen nach sich zieht. Ganz gleich, ob er nun ein blutrünstiger Rohling, ein geldgieriger Abenteurer, ein eroberungslustiger Söldner, ein unter Tränen flehender Bittsteller oder eben ein Mann sein mag wie Captain Burton, dem der Wissensdurst das Herz so sehr auszehrte, dass er sich in ein Laster verkehrte, ganz gleich, ob er nun nach Krieg trachten mag oder nach Ruhe, nach Eroberung oder Erlösung: der erste, der seinen Fuß ans Ufer setzt, und wäre er auch von der friedlichsten und lobenswertesten Absicht getragen oder ein Heiliger oder der Retter der Welt höchstpersönlich, er müsste getötet werden, er und all jene, die ihn begleiten, ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht – Greise, Frauen, Ungeborene, die ganze engelsgleiche Horde der Kleinen. Wäre sie dieser einfachen Regel gefolgt, die Menschheit hätte sich zum Preis eines winzigen Verbrechens eine grauenhafte und endlose Litanei an Massakern, Epidemien, Unterjochungen und Verstümmelungen ebenso erspart wie ein paar andere, weniger gravierende Niederträchtigkeiten, zu denen der koloniale Singsang gezählt werden muss, die evangelischen Missionen und selbstverständlich auch der intensive Tourismus. Ich will nicht leugnen, dass ich diese interessante Theorie anlässlich einer Handvoll Gelegenheiten gerne und mit recht überschwänglicher Begeisterung verfocht, vor allem im Verlaufe familiärer, von reichlich Alkohol begleiteter Abendessen; aber es hätte in den Augen aller klar sein müssen, dass sie eher einer kontrafaktischen Spekulation beziehungsweise Alternativweltgeschichte entsprang als einem politischen Programm, und dass sie, ungeachtet ihrer Radikalität, aus dem Blickwinkel der Geschichte betrachtet, oder dem der Logik, völlig fundiert war. Gewiss, wäre Captain Burton gestorben und wären uns damit dieFirst Footsteps in East Africa ebenso vorenthalten geblieben wie seine Übersetzung vonTausendundeine Nacht, hätte dies sehr wahrscheinlich nicht das Schicksal Abessiniens auf den Kopf gestellt, doch wird niemand bestreiten wollen, dass irgendein obskurer karibischer Indianer, der aufgrund eines rettenden Geistesblitzes Christoph Kolumbus den Schädel eingeschlagen hätte, anstatt ihm mit fataler Neugier zuzuhören, wie der, Kreuz und Berlocken schwingend, sein albernes Zeugs absonderte, als Held angesehen werden müsste und als der auf ewig unbekannte Wohltäter des Menschengeschlechts. Die nämliche Argumentation gilt natürlich unabhängig vom Land des Einheimischen, der Herkunft des Reisenden und dem Namen der Meere, die sein Blut für einen sehr kurzen Moment färbt. Doch günstige Gelegenheiten bieteten sich, ach, nur ein einziges