Kapitel 3
ER
Jake Sawyer war kein Spion. Er hasste dieses Wort. Hasste es auf drei Kontinenten und in vier Sprachen. Weil es ein Wort für Kinder war. Für Novizen und Zivilisten.
Wenn überhaupt, dann war er ein Agent. Aber auch das klang ihm fast noch zu sehr nach Smokingtragendem Hollywoodschauspieler mit einem Stall voller Stuntmen und Hightech-Autos mit Katapultsitzen. Sein Beruf war keine Fassade, keine Rolle, in die er schlüpfte. Sondern sein Alltag. Und er hatte ihn satt, diesen Alltag. Diesen Job. Und seine Aufträge und seine Gegner. Und seine Verbündeten auch.
Allen voran Alex.
Als er sie vorhin wie tot auf der Straße hatte liegen sehen, war er einen Augenblick lang sicher gewesen, dass er zu spät war. Aber dann war wieder Leben in sie gekommen, und sie hatte ihn angesehen, gegen das Dunkel angeblinzelt. Er hatte nicht zweimal hinzuschauen brauchen, um zu erkennen, dass sie eine Gehirnerschütterung hatte. Und auf einmal hatte Sawyer etwas empfunden, das ihm eigentlich schon lange fremd war: Mitgefühl. Und Wärme, obwohl es so kalt war, dass ihm fast sein bestes Stück abfror.
Er kannte Alex seit bald fünf Jahren. Und er vertraute ihr. Aber noch nie hatte er sie so gesehen. So schwach und wehrlos. So zerbrechlich. Und das jagte ihm eine Heidenangst ein.
Er musste sie finden. Bis dahin würde er sich mit dem Gedanken trösten müssen, dass sie zumindest auch sonst niemand finden würde, wenn er es nicht tat. Jedenfalls hoffte er das.
Sie würde sich in ein sicheres Versteck retten. Es gab mehr als genug Safe Houses hier in der Stadt. Und dann würde sie eine Weile die Füße stillhalten. Sich hinter einem Dutzend Wände und Sprengfallen verschanzen. Weil Alex so paranoid war wie kaum jemand sonst, den er kannte. Und er war ein Spion – nein, verdammt! Er warAgent!
Der Schnee fiel nicht mehr ganz so dicht, und schon bald würde die Stadt erwachen, und nach und nach würden sie alle aus ihren Löchern gekrochen kommen. In den Bäckereien gingen bereits die ersten Lichter an, und aus den Lüftungen drang warme Luft, die nach frischem Brot roch. Sein Magen knurrte, doch er lief weiter. Sah sich ausnahmsweise nicht nach möglichen Verfolgern um.
Weil er wusste, dass er längst tot gewesen wäre, wenn sie ihn aufgespürt hätten.
SIE
Sirenen. Hatten sie die ganze Zeit schon durch die kalte Nachtluft geschrillt? Alex war sich nicht s