Teil 1
Unsere toxische Diätkultur
In diesem Teil möchte ich einiges an fundierter Kritik loswerden. Ich werde populäre Maschen, Diäten und Ernährungsformen infrage stellen und dabei trotzdem versuchen, möglichst pragmatisch zu bleiben. Manche Dinge müssen einfach endlich ausgesprochen und angesprochen werden. Meine Ungeduld und mein (Miss-)Mut machen es mir hier jetzt einfach möglich, meine Gedanken niederzuschreiben.
Insgeheim wissen wir doch alle, dass diverse Diäten (maskiert als »Ernährungsformen«), Apps oder sogar von prominenten Persönlichkeiten vorgelebte Ernährungsroutinen nicht das Gelbe vom Ei sind bzw. nicht das sind, was sie zu sein vorgeben. Wenn der Hut jedoch brennt und wir das Gefühl haben, es geht nichts mehr voran, das Wohlbefinden im Keller ist und die Kraft nicht mehr ausreicht, weil wir gefühlt alles schon probiert und gemacht haben, neigen wir alle dazu, in der Verzweiflung gut vermarktete Empfehlungen auszuprobieren. Ich möchte in diesem Teil die gängigsten Fallen vorstellen, mit denen sowohl meine Kundschaft und Community wie auch ich selbst schon zu kämpfen hatten – und bitter enttäuscht wurden. Ich möchte dir den Ärger ersparen, damit du dir nicht mehr den Kopf zerbrechen musst.
Die oberflächlichen Schönheitsnormen unserer Gesellschaft
Wir alle verlangen nach Beziehungen und Austausch auf Augenhöhe. Wir alle wollen respektvoll behandelt werden. Wir alle wollen in Frieden gelassen und nicht verurteilt werden. Dennoch beobachten wir Folgendes:
Wir können es nicht lassen, uns ständig und überall für die eigene Ernährung und das eigene Aussehen zu rechtfertigen. Wir kommentieren trotzdem ungefragt die Entscheidungen anderer, wenn es um die Ernährung und Gesundheit geht. Wir fühlen uns angegriffen, wenn sich jemand gesünder ernährt oder sportlicher zeigt als wir selbst. Wir beglückwünschen andere zu einer sichtbaren Gewichtsabnahme, ohne die Hintergründe zu kennen. Wir hinterfragen bedenkliche Werbeslogans nicht und kaufen Produkte, die schnelle Ergebnisse für das Körpergewicht oder Aussehen versprechen. Wir nehmen andere nicht in Schutz (z. B. bei Familientreffen), wenn diskriminierende Aussagen über Essenskonsum und Aussehen fallen.
Wir können nur das praktizieren und kommunizieren, was wir selbst (er)leben. Zugegeben, es ist alles andere als einfach, sich den fest verankerten Glaubenssätzen und Normen zu widersetzen. Wir laufen damit ja Gefahr, anderen nicht mehr so gut zu gefallen. Wir riskieren Streit und Diskussionen, die anstrengend werden könnten. Wir könnten die eine oder andere Freundschaft damit opfern. Ist es aber nicht viel schlimmer, über Jahre hinweg die eigene Lebensqualität zu beschneiden, indem wir ausschließlich den Erwartungen anderer entsprechen möchten? Ist es nicht viel schlimmer, mit angezogener Handbremse zu fahren, als darauf zu pfeifen, was alle anderen denken, und dafür mit uns selbst im Reinen zu sein?
Je früher wir bereit sind, uns zu wehren, desto besser. Denn, sind wir doch ganz ehrlich: Wir können es ohnehin nicht allen recht machen. Die Schönheitsbilder ändern sich ständig, also warum das eigene wunderbare Sein immer wieder infrage stellen? Wenn wir uns die Gesellschaft als Spiegel ansehen, können wir ja nie zufrieden sein.
Gesundheit und Wohlbefinden lassen sich nicht an der Kleidergröße oder einer Zahl definieren. Das heißt nicht, dass du nicht abnehmen »darfst«. Dein Körper, dein Leben, deine Entscheidung! Dabei musst du dir aber trotzdem immer die Fragen stellen: Wie will ich mich langfristig fühlen? Um welchen Preis möchte ich etwas erreichen? Wie möchte ich in zehn, 20 oder 30 Jahren sein?
Im letzten Teil des Buchs findest du Impulsfragen, um deine Denkweise und deine Lebensträume zu reflektieren. Ich bin mir sicher, dass dir das helfen wird, das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren!
Die Schattenseite von Ernährungsberatung und Coaching
Menschen dabei zu helfen, ihr Wohlbefinden zu optimieren und ihr Leben zu verbessern, gehört zu den schönsten Seiten meines Jobs. Zum Glück gibt es auch jede Menge Fachkräfte, die sich dieser Mission ebenso annehmen und Gutes bewirken möchten.
Gesundheit ist ein hochkomplexes, vielschichtiges Thema. Mit einem einfachen Ernährungsplan oder mit Lebensmittellisten ist es sicher nicht erledigt.
Leider werden das Thema Ernährungsumstellung und seine begleitenden individuellen Ziele wie Gewichtsmanagement oft zu stark vereinfacht. Hinzu kommt, dass selbst unter den Ländern im DACH-Bereich keine einheitlichen Regelungen für das Berufsbild der »Ernährungsberatung« vorliegen.
In Deutschland reicht ein Wochenendkurs, um sich Ernährungscoach bzw. Ernährungscoachin nennen zu dürfen. In der Schweiz und Österreich sieht es da schon besser aus – Ernährungsberater bzw. Ernährungsberaterin darf sich die Person nenne