Das Tal derRhône
Bereits die Römer schätzten die Rhône und ihre weiterführenden Nebenflüsse als geeigneten Wasserweg; auch mit schweren Frachten beladen konnten römische Schiffe weit ins Innere Galliens vorstoßen. Ganz im Süden bildete die Rhône jahrhundertelang die natürliche Grenze zwischen dem Languedoc und der Provence.
Das fruchtbare Schwemmland der Rhône - im Französischen übrigens männlich,le Rhône- ist seit jeher aber auch ein traditionelles Obst- und Gemüseanbaugebiet. Leider hat das breite Tal mit seiner gut ausgebauten Infrastruktur heute durch zahlreiche Industrieansiedlungen weitgehend seinen Reiz eingebüßt. Die Rhône, dieser „wilde, aus den Alpen herabstürmende Stier“, wie der große französische Historiker Jules Michelet einmal sagte, ist längst durch Kanäle, Deiche, Schleusen und Kraftwerke domestiziert worden. Besonders um die Wasserqualität ist es schlecht bestellt, da zudem auch fünf Kernkraftwerke (Cruas-Meysse, Montélimar, Pierrelatte etc.) ihr Kühlwasser in den Fluss einleiten. Kein anderer französischer Fluss wird intensiver von der Nuklearindustrie genutzt als die Rhône. Doch ein wenig Hoffnung ist in Sicht: Seit ein paar Jahren treten Bürgerinitiativen vehement für eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation ein, die unter umweltpolitischen Gesichtspunkten als katastrophal bezeichnet werden muss.
Die Rhône ist in vielerlei Hinsicht weniger die wichtigste Wasserstraße Südfrankreichs als eine Grenze gewesen, und dies nicht nur zwischen der Provence und dem Languedoc. Bereits im Vertrag von Verdun (843) diente die Rhône als Grenzfluss zwischen Westfranken, das Karl der Kahle erhielt, und dem Lothar zugesprochenen Lotharingen. Hinzu kam, dass die Rhône und ihre Inseln bis 1789 vom französischen König als Eigentum der Krone betrachtet wurden. Auffallend sind die zahlreichen Doppelstädte wie Villeneuve-lez-Avignon und Avignon oder Tarascon und Beaucaire. Dies veranlasste den bekannten französischen Historiker Fernand Braudel zur Annahme, „dass es für die Händler und Anwohner vielleicht beinahe wichtiger war, den Fluss zu überqueren, als ihn abwärts oder aufwärts zu fahren“. Die Kontraste und Gegensätze zwischen beiden Ufern fanden ihren Niederschlag in zahlreichen Querelen, Feindschaften und gerichtlichen Konflikten, selbst in der Gegenwart bleibt die Rhône als mentale Grenze wahrnehmbar.
Lyon
Die meisten Südfrankreichreisenden lassen Lyon links liegen, denn die ausufernden Ränder der zweitgrößten Metropole Frankreichs wirken wahrlich nicht gerade einladend. Dies ist allerdings ein Fehler: Das einzigartige Renaissanceensemble der Altstadt wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.
„Lyon war eine schöne, eine regsame, eine lebendige Stadt, es blickte auf eine blutige Geschichte zurück und war immer fleißig und immer ein Platz der Aufstände, ein Herd der Unruhe gewesen“, notierte der Romancier Wolfgang Koeppen vor mehr als vier Jahrzehnten auf einer Reise durch Frankreich. Koeppen zeigte sich bei seinem Besuch vor allem von dem Stadtbild und den Flussufern angetan. Von Letzteren hat Lyon gleich vier zu bieten: Hier fließen die träge, aus den Vogesen kommende Saône und die Rhône, eine manchmal ungebärdige Alpentochter, zusammen. „Vater Rhône“ und „Mama Saône“ bilden ein großes „Y“ und schließen eine lang gestreckte Schwemmland-Halbinsel ein, auf der seit Jahrhunderten das Herz der Stadt schlägt. Leider sind die Rhônekais inzwischen zu mehrspurigen Verkehrsachsen mutiert, sodass die Stadt den Kontakt zum Wasser verloren hat.
Hoch über der Saône und über Vieux Lyon erhebt sich die Basilika Nôtre-Dame-de-Fourvière, die als „Zwillingsschwester“ von Sacré-Cœur gerühmt wird. Kunsthistorisch bedeutungslos, fasziniert allerdings der Panoramablick vom Turm der Wallfahrtskirche. Er reicht an klaren Tagen bis zum Montblanc. Schon die Römer siedelten auf dem Plateau Fourvière, der Name leitet sich vonForum Vetusab. Weiträumige Ausgrabungen lassen die Bedeutung der römischen Stadt erahnen. Sogar das weltweit am besten erhaltene antike Odéon ist auf dem Hügel zu finden. Das mittelalterliche Lyon(Vieux Lyon)mit der Cathédrale Saint-Jean liegt unterhalb des Plateaus am westlichen Ufer der Saône. Fraglos findet sich hier die größte Restaurantdichte in Europa, schließlich gilt Lyon ja als die „Welthauptstadt der Gastronomie“. Bei den Einheimischen beliebt sind die einfachen Kneipen, so genannteBouchons,in denen es sich aber zumeist ebenso vorzüglich wie bodenständig tafeln lässt.
Vom Fourvière-Viertel führt eine Brücke hinüber nach Pentes de laCroix-Rousse,dem auf einem stetig ansteigenden Hügel gelegenen historischen Weberquartier von Lyon. Einst lebten und arbeiteten mehr als 60.000 Weber in den dicht aneinandergedrängten Häusern, deren charakteristisches Merkmal die hohen Decken im Erdgeschoss - damit die Jacquard-Webstühle Platz hatten - und die schmalenTraboulessind. Das WortTraboules- es stammt vom lateinischentransambulare