: Mirandolina Babunashvill, Marlene Fleißig, Nina Heller, Elvis Jarr, Laura Nunziante, Mario Petuzzi,
: Zita Bereuter, Claudia Czesch
: FM4 Wortlaut 24. Versprechen Der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb
: Luftschacht Verlag
: 9783903422490
: Wortlaut
: 1
: CHF 6.20
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: Anthologien
: German
: 144
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wortlaut, der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb, fand 2024 zum Thema 'VERSPRECHEN' statt. Der Duden eröffnet zu diesem Wort eine erstaunliche Bandbreite an Bedeutungen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. FM4 ermutigte alle Schreibenden, sich in kurzer Form literarisch zum Thema 'VERSPRECHEN' auszulassen. Die redaktionelle Vorjury wählte aus den cirka 800 Einreichungen 20 Texte aus, die anonymisiert an die hochkarätige Jury weitergegeben wurden. Diese kürte dann die Gewinner*innen, die zehn besten Beiträge schafften es in die Anthologie 'FM4 Wortlaut 24. VERSPRECHEN'. Von den Kurzgeschichten versprach sich die Jury viel. Ob die Versprechen eingelöst wurden, das bewerteten 2024: Raphaela Edelbauer (Autorin) Mareike Fallwickl (Autorin und Literaturvermittlerin) Janett Lederer (Gewinnerin Wortlaut 23) Clemens Setz (Schriftsteller und Übersetzer) Robert Stadlober (Schauspieler und Musiker)

„Stopp, stopp“, rufen wir und der Sekt schäumt und schäumt über den Rand des Pappbechers, läuft uns über die Hand und wir lecken die Flüssigkeit mit unseren Zungen ab, bevor etwas an uns kleben bleiben kann und dann liegt die grüne Flasche im Gebüsch und wir sind vierzehn und über den Bauzaun auf die Dorfparty des Jahres hinten beim Schützenverein. Schmuggeln uns wie immer beim Pissbaum rein, da schaut niemand genau hin, sowieso schaut niemand jemals genau hin, das ist unser Glück. Wir haben immer Glück. Wir sind aufgeregt. Wir lieben es, Stories zu haben, aber es müssen die richtigen sein. Sich die falschen einzufangen, ist der Tod, ist wie in Scheiße treten und es erst merken, wenn jemand fragt: „Warum riecht es hier nach Scheiße?“ Wir wollen, dass es sich lohnt. „Uahh“, stöhnt Kathrin auf der anderen Seite des Bauzauns und unsere Köpfe schießen in eine Richtung. An einem weißen Plastikstehtisch lehnt der Typ, der uns in seinem Zimmer die schnell fettenden Strähnen aus dem Gesicht streicht, ganz vorsichtig, egal wie verklebt, der, für den sich unsere Knie an seinem Teppichboden festgesaugt haben wie die Putzerfische an die Scheibe des Aquariums beim Chemiezimmer, der, der uns sagt, wir sollen ihn vor seinen Freunden nicht ansprechen. Alles zu wollen reicht nicht, um es auch zu bekommen, wir bleiben trotzdem, weil es könnte ja vielleicht doch noch. Jetzt schämen wir uns, unsere Würde ein kleiner Kanarienvogel mit eiterndem Auge auf unseren breitgemachten Schultern. Wir lassen ihn trotzdem nicht einschläfern. Wir lachen besonders laut. Wir bilden einen Kreis. Lagebesprechung. Wir sind auf feindlichem Gebiet, herrschen unser pochendes Herz an, still zu sein, wir wissen ganz genau, was wir tun, warum wir hier sind, sind full on im Mottenmodus und die Nächte voller Lichter, wolkenfreier Himmel. Keine spricht es aus, aber wir sehen es uns an, daran, wie die Augen hin und her huschen, daran, wie wir Vollgas lachen, haben eigentlich alle eine Heidenangst, teilen sie uns wie die ersten Zigaretten, weil uns von einer ganzen, even light, schwindlig wird, scheißen uns ein, also wirklich, ohne Durchfall kurz vorm Losziehen macht es keine von uns. Manchmal muss eine dann warten, weil der Spülkasten so langsam wieder vollläuft und dann steht eine da, in dem blaugekachelten Bad, mit dem Holzschiffchen auf dem Sims und den Muschelstickern an der Duschkabine und schaut sich im Spiegel an und hört dem Gluckern und Tröpfeln zu und riecht sich selbst und draußen die aufgekratzten Stimmen der anderen, das Pochen gegen die Tür: „Raus da, ich muss auch mal!“ Das mit dem Dünni ist eigentlich auch nicht so schlecht, dann ist unser Bauch schön flach, so flach wie halt geht, plus man ist schneller hacke. Wir sind gut dabei, gut dabei zu sein. Auch jetzt. Im Gang zu den Toiletten schauen wir uns die gerahmten Gruppenfotos an, zeigen auf die, mit denen wir es machen würden, suchen uns die Hässlichsten und Ältesten raus und fragen, wenn du wählen müsstest, welchen dann lieber. Auf dem Klo teilen wir uns unter einem Zwölfender-Geweih Malibu-Kirsch aus dem Tetra und Sarah ist sechzehn und als Einzige mit richtigem Stempel und nicht über den Zaun drin und wischt sich über die Oberlippe und sagt: „Und dann ist er, behauptet er,aus Versehen falsch reingerutscht und ich habe geschrien, er soll sofort rausziehen und er meinte nur saudämlich „ups, sorry, sorry“, ich solle m