: Dalai Lama
: HarperCollins
: Eine Stimme für die Entrechteten. Meine über sieben Jahrzehnte währende Auseinandersetzung mit China | Für meine Heimat und mein Volk China-Tibet-Konflikt | Politik des Friedens und der Freiheit
: HarperCollins
: 9783749909599
: 1
: CHF 17.70
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 288
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

In seinen persönlichen, spirituellen und historischen - teils nie veröffentlichten - Betrachtungen erzählt Seine Heiligkeit der Dalai Lama die Geschichte seiner 75-jährigen Auseinandersetzung mit China zur Rettung Tibets und seines Volkes.

Fast sein ganzes Leben hat der Dalai Lama mit China gerungen. Er war sechzehn, als China 1950 sein Land annektierte. Mit neunzehn saß er dem Vorsitzenden Mao gegenüber, ehe er mit fünfundzwanzig ins indische Exil fliehen musste. Seitdem hat er den Führern Chinas - Mao Zedong, Deng Xiaoping, Jiang Zemin, Hu Jintao und Xi Jinping - die Stirn geboten und sich gegen größte Hindernisse für Tibet, seine einzigartige Sprache, Kultur, Religion, Geschichte und Landschaft eingesetzt.

Ein Dreivierteljahrhundert nach der ersten chinesischen Invasion Tibets, erinnert der Dalai Lama die Welt an den noch immer andauernden Freiheitskampf Tibets - und an die Not, der sein Volk weiterhin ausgesetzt ist. Er schildert seine Sicht auf die geopolitische Lage der Region und verrät, wie er seine Menschlichkeit allen Umständen zum Trotz bewahren konnte. Sein Buch ist das eines außergewöhnlichen Lebenswegs. Es zeigt, was es bedeutet, sein Zuhause an einen repressiven Besatzer zu verlieren, und was es heißt, mit der existenziellen Krise eines Landes umzugehen und den Glauben an eine zukünftige Lösung nicht zu verlieren.

Eine Stimme für die Entrechteten ist das eindringliche Zeugnis einer Weltikone, mit dem der Dalai Lama sowohl seinem Schmerz als auch seiner unerschütterlichen Hoffnung, die er in das Streben des tibetischen Volkes zur Wiedererlangung seiner Würde und Freiheit setzt, Ausdruck verleiht.



<p>SEINE HEILIGKEIT DER DALAI LAMA ist das spirituelle Oberhaupt des tibetischen Buddhismus. Mit seiner Person steht er sowohl für Tibet als auch für dessen einzigartige Bevölkerung. Er zählt zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Welt und ist einer der wichtigsten Fürsprecher des Mitgefühls. Für seine Friedensbemühungen und sein Engagement in Umweltfragen erhielt er 1989 den Friedensnobelpreis. International wurde er mit zahlreichen weiteren Preisen geehrt, darunter die Goldmedaille des US-Kongresses, die höchste zivile Auszeichnung der USA. Seit seiner Flucht ins Exil 1959 lebt der Dalai Lama als staatenloser Tibeter in Indien, das er als seine zweite Heimat bezeichnet, und setzt sich von dort aus unermüdlich dafür ein, dass sein Volk seine Würde und Freiheit wiedererlangt.</p>

Einleitung


Im Gegensatz zu all meinen anderen Missionen, die ich selbst ausgewählt habe, wurde mir die Verantwortung für die Nation und das Volk von Tibet auferlegt, als ich im Alter von zwei Jahren als wiedergeborener Dalai Lama aufgefunden wurde.1950, im Alter von16 Jahren, wurde ich offiziell zum weltlichen Führer Tibets erklärt.1 Seit diesem Zeitpunkt ist diese Verpflichtung – der Schutz Tibets, seiner Bevölkerung und Kultur – mein innerstes Anliegen, und das wird auch bis zu meinem Lebensende so bleiben.

Obgleich diese Aufgabe die wichtigste Mission meines Lebens darstellt, habe ich mich noch anderen Zielen verschrieben: Ich möchte dazu beitragen, grundlegende menschliche Werte auf der Basis eines universellen oder säkularen Ethikansatzes zu stärken, interreligiöse Verständigung und Harmonie zu fördern sowie der alten Weisheit und dem alten Wissen Indiens zu einer größeren Wertschätzung zu verhelfen. Ich bin froh, dass ich in diesen Bereichen durch vielfältige Dialoge, durch meine Bücher und durch ausgedehnte internationale Reisen einen spürbaren Beitrag leisten konnte.

Im Fall von Tibet jedoch war es deutlich schwieriger, Fortschritte zu erzielen. Ich bemühte mich unablässig, mit den chinesischen Kommunisten, die1950 in mein Land einmarschiert sind, eine Einigung zu erzielen. Es gab drei Phasen, in denen ein intensiver Dialog stattfand: zum einen in den1950er Jahren, als ich als junges Oberhaupt in Tibet residierte, dann in den1980er Jahren, als der chinesische Staatsführer Deng Xiaoping Chinas Öffnung vorantrieb, und zuletzt im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts. In allen anderen Bereichen meines Lebens und Wirkens waren die Menschen, die ich antraf, einer gemeinsamen Vision verpflichtet. Sie waren bereit, anderen zu vertrauen, sie äußerten auch bei Meinungsverschiedenheiten ehrlich ihre Gedanken, und sie wollten sich ernsthaft einbringen und lernen. Leider kann ich dies von den kommunistischen Machthabern Chinas, vom Vorsitzenden Mao Zedong bis zum gegenwärtigen Präsidenten Xi Jinping, nicht behaupten. Ich habe schon oft beklagt, dass sie nur einen Mund zum Sprechen haben, aber kein Ohr zum Zuhören.

Ein Beispiel dafür ist das von der chinesischen Regierung im Mai2021 veröffentlichte Whitepaper über Tibet. Das Dokument beginnt mit der Feststellung, das tibetische Volk habe sich nach der chinesischen Invasion im Jahr1950 »endgültig von den Fesseln des eindringenden Imperialismus befreit und einen vielversprechenden Weg der Einheit eingeschlagen«.2 Die Tibeter würden heute »ein stabiles soziales Umfeld sowie wirtschaftlichen und kulturellen Wohlstand« genießen. Diesem Narrativ zufolge erlebten die tibetische Nation und das tibetische Volks seit der »friedlichen Befreiung« Tibets durch das kommunistische China einen stetigen Aufschwung zu Freiheit, Wohlstand und Zufriedenheit innerhalb der Familie der Volksrepublik China (VRC). Wäre dies zu irgendeinem Zeitpunkt seit der Invasion der Fall gewesen, wie ließe sich dann der seit mehr als sieben Jahrzehnten anhaltende Widerstand und Unmut der Tibeter gegen die chinesische Präsenz erklären? China scheint darauf eine einfache Antwort zu haben: Sie seien auf die »spalterischen Aktivitäten der Dalai-Clique zurückzuführen«. Gemeint ist damit unsere lange, gewaltfreie Kampagne für die Freiheit unseres Volkes und unsere Bemühungen, unsere einzigartige Sprache, Kultur, Ökologie und Religion zu bewahren. Wir Tibeterinnen und Tibeter bewohnen das tibetische Hochland seit Jahrtausenden, und wir haben jedes Recht dazu, unsere Heimat weiterhin selbst zu verwalten. Bei der Tibet-Frage geht es nicht um wirtschaftliche Entwicklung. Wir erkennen an, dass diese seit der wirtschaftlichen Liberalisierung der Volksrepublik China deutlich an Fahrt aufgenommen hat. Im Zentrum des Konflikts stehen vielmehr das Bedürfnis und das Recht eines Volkes, mit seiner eigenen Sprache und Kultur zu existieren und sein religiöses Erbe zu bewahren. Da es den Menschen in Tibet verboten ist, ihre Stimme zu erheben, ist es, seit ich1959 ins Exil ging, meine Aufgabe, die Stimme der Entrechteten zu sein.

Es ist nach wie vor unser Ziel, eine für beide Seiten tragfähige Verhandlungslösung zu finden, aber dazu müssten sich die Chinesen und Tibeter zusammensetzen und miteinander sprechen. Bis eine solche Verhandlungslösung gefunden ist, haben wir Tibeter im freien Teil der Welt die moralische Pflicht, im Namen unserer Brüder und Schwestern in Tibet zu sprechen. Das ist weder anti-chinesisch noch »spalterisch«. Im Gegenteil: Nur durch Ehrlichkeit und Offenheit kann eine gemeinsame Basis gefunden werden, auf der beide Seiten einander verstehen und auf die Bedürfnisse der jeweils anderen Seite eingehen können. Erst wenn wir eine Atmosphäre geschaffen haben, die beiden Seiten erlaubt, frei zu sprechen und zu verhandeln, wird eine dauerhafte