: Lilly Bernstein
: Trümmermädchen& Findelmädchen& Sturmmädchen 3 historische Romane über starke Frauen in einem Band | Drei Frauen vor den Herausforderungen ihrer Zeit
: Ullstein
: 9783843736114
: 1
: CHF 22.80
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 1408
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
TRÜMMERMÄDCHEN Eine zerstörte Bäckerei in einer zerbombten Stadt. Ein eisiger Winter, der tausende Opfer fordert. Und mittendrin zwei Frauen, die ums Überleben kämpfen, um die Liebe und die Erfüllung ihres Traums Köln, 1941. Anna wächst bei ihrer Tante Marie und ihrem Onkel Matthias auf, einem Bäckerehepaar. Das Mädchen liebt die Backstube über alles. Der Duft von frischgebackenem Brot, die mehlgeschwängerte Luft, der große Ofen aus Vulkanstein - für Anna der schönste Ort der Welt. Doch mit dem Krieg kommt das Unglück: Matthias wird eingezogen und die Bäckerei bei Luftangriffen zerstört. Während Köln in Trümmern liegt und vom kältesten Winter des Jahrhunderts heimgesucht wird, schließt Anna sich in ihrer Not einer Schwarzmarktbande an und steigt zur gewieftesten Kohlediebin der Stadt auf. Als sie am wenigsten damit rechnet, verliebt sie sich - eine verbotene Liebe mit gefährlichen Folgen. Von Kälte, Hunger und Neidern bedroht, halten Anna und ihre Tante verzweifelt an dem Traum fest, die Bäckerei wiederaufzubauen. Und an der Hoffnung, dass die Männer, die sie lieben, irgendwann zu ihnen zurückkehren. FINDELMÄDCHEN Das Wirtschaftswunder und die Nachwehen des Krieges: Eine junge Frau erkämpft sich ihren Weg Köln 1955: Die 15-jährige Helga und ihr Bruder Jürgen leben endlich wieder bei ihrem aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrten Vater. Von der Mutter fehlt seit Kriegsende jede Spur. Der Vater baut sich mit einem Büdchen eine neue Existenz auf, Jürgen beginnt bei Ford. Helga aber, die sich nichts sehnlicher wünscht, als aufs Gymnasium zu gehen, soll sich in der Haushaltungsschule auf ein Leben als Ehefrau vorbereiten. Während eines Praktikums im Waisenhaus muss sie entsetzt mitansehen, wie schlecht die Kinder dort behandelt werden. Schützend stellt sie sich vor ein sogenanntes »Besatzerkind«. Und sie verliebt sich. Doch die Schatten des Krieges bedrohen alles, was sie sich vom Leben erhofft hat ... STURMMÄDCHEN Drei junge Frauen. Ein Schwur. Wie stark ist eine Freundschaft? Sie glaubten, die Welt stünde ihnen offen: Die drei Freundinnen Elli, Margot und Käthe werden mit Beginn der NS-Zeit mit der Schule fertig. Im malerischen Tal der Eifel, in dem sie zu Hause sind, muss die Jüdin Margot bald um ihr Leben und das ihrer Familie fürchten. Käthe wird zur überzeugten Nationalsozialistin. Die Halbwaise Elli muss sich entscheiden: Wählt sie die Liebe oder folgt sie ihrem Gewissen?

Lilly Bernstein ist das Pseudonym der Kölner Journalistin und Autorin Lioba Werrelmann, deren Debütroman Hinterhaus 2020 mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet wurde. Ihre Romane Trümmermädchen und Findelmädchen waren große Presse- und Publikumserfolge. 

Kapitel 1


Es war der Duft, der sie geweckt hatte. Keine heulende Sirene. Keine Hände, die nach ihr griffen. Kein hastiges Zerren die Treppe hinab. An diesem frühen, stillen Morgen war es einfach nur der Duft, der Anna geweckt hatte. So vertraut, so köstlich.

Es war der schwere, ein wenig saure Geruch von frisch gebackenem Schwarzbrot. Anna liebte Schwarzbrot. Allein bei dem Gedanken an die großen Laibe, die in der Hitze des Ofens vor sich hin waberten, seufzte sie wohlig. Schwarzbrot! Das backte Onkel Matthias nur einmal in der Woche. Heute musste ihr Glückstag sein! Kein Alarm, und dann auch noch Schwarzbrot. Es brauchte fast zwei Stunden, bis es fertig ausgebacken war. Anna war erst elf, aber es gab vieles, was sie schon wusste. Zwei Stunden volle Hitze! Wie viele Briketts dafür wohl nötig waren? Sie würde später Onkel Matthias fragen.

Anna rutschte ein bisschen tiefer ins Bett, so tief, dass ihre nackten Füße die Wand erreichten. Hmmm. »Niemals mehr kalte Füße«, hatte Tante Marie gelacht, als sie in dieses Zimmer gezogen waren, damals, nachdem sie nicht mehr oben bei den Kohns hatten wohnen dürfen. In der engen Kammer unter dem Dach hatten sie im Winter gefroren wie die Schneider. Hier aber, direkt über der Backstube, war es immer herrlich warm. Dafür sorgte der Kamin, der mitten durch den schmalen Raum hindurchging. Anna presste ihre Fußsohlen gegen die Wand. Himmlisch fühlte sich das an. Auch jetzt, im Sommer, konnte sie nie genug davon bekommen. Und Tante Marie hatte natürlich recht behalten. Anna hatte niemals mehr kalte Füße, denn der Ofen bullerte Tag und Nacht.

Sie konnte das Bullern spüren. Es fühlte sich an, als würde ein Riese das ganze Zimmer vorsichtig in seiner Hand hin und her wiegen, mit allem, was darin war, mit dem Bett und der kleinen Kommode und natürlich mit Anna. Dieses Wiegen, dieses sanfte Vibrieren – das war das Feuer, das direkt unter dem Zimmer im Ofen loderte und das Onkel Matthias niemals ausgehen ließ.

Zum Duft des Schwarzbrots gesellte sich nun ein weiterer Geruch. Anna kniff die Augen fest zusammen, sie schnupperte. Dieser Duft war nicht ganz so schwer, und er war nicht ganz so sauer. Er war ein wenig sanfter, doch zugleich durchdringend und schlängelte sich zu ihr hinauf ins Zimmer, strömte durch jede Ritze. Graubrot. So roch Graubrot. Anna lächelte. Und über allem drüber schwebte, ganz leicht und doch unverkennbar, der Duft von frisch gebackenen Brötchen. Kross war dieser Duft und so luftig, dass er gleich weiterschwebte, hinaus in den Hof und durch die enge Gasse.

Anna schnupperte und lächelte weiter still in sich hinein. Sie zog das Daunenbett, dessen Bezug über und über bedruckt war mit gelben Rosen, bis an ihr Kinn. Sie streckte und räkelte sich. Wie ungewohnt es immer noch war, das Bett ganz für sich allein zu haben! So lange sie denken konnte, hatte sie dieses Bett mit Tante Marie geteilt. Und weil Tante Marie das war, was Onkel Matthias mit einem Leuchten in den Augen »wohlgeformt« nannte, war für Anna nur ein klitzekleines bisschen Platz geblieben. In den ersten Wochen ohne Tante Marie hatte sie weiterhin dicht an der Bettkante geschlafen, auf der linken Seite. Weil sie es nicht anders gekannt hatte.

Wenn Anna ganz ehrlich war – aber niemals hätte sie das irgendjemandem verraten, nicht einmal Ruth –, dann vermisste sie Tante Marie nachts. Manchmal. An Tante Marie war alles weich und duftig. Mit ihr im Bett zu schlafen, war, als hätte man ein zusätzliches Daunenkissen gehabt, ein extragroßes, an das man sich ankuscheln konnte, das einem abends ein Lied sang und morgens einen Kuss auf die Stirn drückte.

Nun aber war Anna bald ein großes Mädchen und konnte allein