: Gayl Jones
: Evas Mann Roman
: Kanon Verlag
: 9783985680535
: 1
: CHF 15.20
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Die brutalste, ehrlichste und schmerzhafteste Offenbarung dessen, was in den Seelen schwarzer Männer und Frauen passiert ist und passiert.« James BaldwinEva Medina Canada sitzt im Knast, schweigsam und ohne Reue. Sie hat ihren Liebhaber ermordet, warum, bleibt ihr Geheimnis. Ihre Erinnerungen kreisen um die Begegnungen mit den Männern in ihrem Leben - den Schuljungen, den Freund ihrer Mutter, den Cousin, ihren Ehemann, einen Fremden im Bus. Solange sich Eva erinnern kann, wurde sie bedrängt, überhört und missbraucht. Es sind singuläre Erlebnisse, die aufgehen in einer universellen weiblichen Erfahrung: der vermeintlichen Verführerin. - Die unmittelbaren Gedanken und Gefühle einer schwarzen Frau, der die Selbstermächtigung auf tragische Weise gelingt. Gayl Jones ist damit ein grandioses literarisches Kunststück gelungen. Diesen Roman vergisst man nicht. »Eine literarische Gigantin und eine meiner absoluten Lieblingsautorinnen« Tayari Jones

Gayl Jones wurde 1949 in Kentucky geboren, wo sie auch heute noch zurückgezogen lebt. Sie hat am Wellesley College und der University of Michigan gelehrt. »Evas Mann« aus dem Jahr 1976 ist ihr zweiter Roman. Ihr erster Roman »Corregidora« aus dem Jahr 1975, erschien 2022 bei Kanon. Zuletzt erschienen von Gayl Jones der Roman »Palmares« (2021), der auf der Shortlist für den Pulitzer Prize stand, sowie »The Birdcatcher« (2022), der für den National Book Award nominiert war.

TEIL EINS


1


Die Polizei kam und fand Arsen in dem Glas, da war ich aber schon weg. Entdeckt hatte ihn die Wirtin in dem Hotel. Sie war ins Zimmer gegangen, um ihm die Sonntagszeitung zu bringen und die Miete zu kassieren. Es heißt, sie hätte geschrien und geschrien und das ganze Haus geweckt. Und das hätte jetzt einen schlechten Ruf, vor allem dieses Zimmer. Ich hab aber auch gehört, dass viele Leute da extra hingehen, mal kucken, wo das war mit dem Verbrechen. Stand sogar ein Artikel dadrüber in so einer Polizeiillustrierten. Das ist aber üblich. Ich hab den Artikel nie gesehen. Ich hatte erfahren, dass da ein Bild von ihm drin ist, wodrauf man sieht, was ich gemacht hatte, und das hat mich geärgert. Dass auch eins von mir drin ist, hat mich nicht so geärgert. Elvira hatte mir erzählt, die haben da ein Bild von mir drin, und ich hab dadrauf total ungekämmte Haare und seh aus wie eine Wilde.

Elvira sitzt in einer Zelle mit mir, Gefängnispsychiatrie. Sie darf öfter raus als ich, die sagen, sie hätte sich mehr unter Kontrolle als ich. Dabei hab ich gar nichts gemacht, seit ich hier drin bin. Es liegt dadran, was ich gemacht habe, bevor ich hier reinkam, an der Art meines Verbrechens, dass ich drinbleiben muss. So wie die mich ansehen. Die lassen mich nicht raus mit den andern Frauen. Elvira liest immer Zeitungen, wenn sie raus darf, und wenn sie wieder da ist, erzählt sie mir, was drinstand. Sie wollte mir den Artikel mitbringen, aber sie durfte ihn mir nicht mitbringen. Erst wollte ich den selber sehen, aber als Elvira ihn in der Unterwäsche reingeschmuggelt hatte, hab ich nicht mal draufgekuckt. Ich hab gesagt, sie soll ihn zerreißen und im Klo runterspülen.

»Also, die dachten ja, wegen dir hat das Hotel jetzt n schlechten Ruf«, sagte sie. »Ich meine, so n schlechten Ruf, dass kein Mensch mehr da hin und da bleiben will. Und jetzt stellt sich raus, dass es n paar schräge Leute in der Welt gibt.«

»Was meinst du?« Mein Blick wurde finster.

»Ich meine, gibt so Leute, die wollen da extra hin, die wollen mal wo schlafen, wo sowas passiert ist, die nehmen ihre Huren da mit hin und so. Mal im selben Bett schlafen, wo du den umgebracht hast. Denken ja manche, dass du das auch bist, ne Hure.«

Mein Blick war immer noch finster.

»Bin nicht ich, die sowas sagt.«

Ich lag auf meiner Pritsche und starrte an die Decke. Es gab auch Leute, die meinten, ich hätte das gemacht, weil ich das mit seiner Frau rausgekriegt hatte. Das haben sie beim Prozess vorgetragen, war die einfachste Erklärung, die sie finden konnten. Aber ich hab seine Frau gesehen. Erst wollte ich die gar nicht sehen, weil ich nicht wusste, wie ich mich dann fühle. Sie kam mal auf Besuch, wie der Prozess noch lief. Eine dürre, verlottert aussehende Frau mit einem schwarzen Hut. Aus irgendeinem Grund hatte ich eine üppige, gutaussehende Frau erwartet. Sie hat kein Wort gesagt. Bloß vor de