Lydia
In Trenchcoat und High Heels starre ich mein Spiegelbild in der Fahrstuhltür an. Ich sollte nicht nervös sein – aber ich bin es. Seit über sieben Jahren sind wir verheiratet. Klar, wir haben auch Durststrecken hinter uns. Aber aufgrund unserer beider Jobs – und da ich mich zusätzlich um unsere siebenjährigen Zwillinge kümmere – blieb kaum Zeit für uns. Ich versuche, nicht an die Ängste zu denken, die mich in den letzten anderthalb Jahren im Griff hatten. Seit Colton den Job beiKant Holding International angenommen hat, wirkt er distanzierter. Deshalb bin ich hier. Ich will den Funken in unserer Ehe wieder entfachen und meinen Mann verführen.
Als ich aus dem Flugzeug stieg, tauschte ich meine Arbeitskleidung gegen das Negligé, das ich nun unter meinem Mantel trage. Für morgen habe ich mir extra freigenommen – keine leichte Sache, wenn man Bärenexpertin und Chefkuratorin des Zoos von Nashville ist. Es mag verzweifelt klingen, aber eine Frau muss tun, was eine Frau tun muss. Ich muss Colton zeigen, dass ich bereit bin, für ihn aus meiner Komfortzone herauszukommen. Vielleicht tut er es dann auch für mich.
Colton war mir gegenüber immer kritisch. Ich liebe ihn, aber manchmal habe ich das Gefühl, nicht perfekt genug für ihn zu sein. Dann frage ich mich, warum er mich überhaupt heiraten wollte. Ja, ich war damals schwanger, aber ist das wirklich ein Grund zu heiraten? Wir waren schon als Teenager ein Paar gewesen und haben eine gemeinsame Vergangenheit. Doch die Highschool liegt Jahre zurück. Nach dem Abschluss trennten sich unsere Wege. Mein Traum war es, Zoologie zu studieren, und er ging auf die Handelsschule. Wir trafen uns wieder, als ich gerade promovierte. Schnell schien er zu merken, dass ich nicht mehr dieselbe war, und machte es sich zur Aufgabe, mich zu ändern – mit Erfolg. Jeden Tag schaue ich in den Spiegel und sehe die Frau, die er will, nicht die, die ich sein möchte.
Erneut betrachte ich mich im Fahrstuhlspiegel. Meine Haare sitzen perfekt. Das Make-up ist makellos. Ich schaue auf meine Hände. Meine Tattoos sind unter einer Schicht Make-up verborgen. Ich habe mehrere Tattoos, die ich mir im College habe stechen lassen. Colton hasst sie, aber ich werde sie nicht entfernen lassen. Sie sind mir wichtig, besonders die am Mittelfinger meiner rechten Hand und die am linken Handgelenk. Sie stehen für meine Eltern, die ich als Teenager verloren habe.
Der Fahrstuhl hält, ein Ping ertönt und die Türen öffnen sich. Vor mir verweist ein Schild mit Zahlen in beide Richtungen. Nach einem kurzen Blick wende ich mich nach links. In seinem Appartement in Dallas war ich noch nie. Es gehört zu den Vergünstigungen, die Colton durch seinen Job beiKant Holding erhält. Die Firma wusste, dass er zwischen hier und unserem Zuhause pendeln würde, und wollte ihm entgegenkommen. Wir hoffen, dass Mr Kant nächstes Jahr ein Büro in Nashville eröffnet, damit wir nicht mehr so leben müssen. Die Kinder vermissen ihren Dad. Na ja, irgendwie. Ich hasse den Gedanken, dass sie weniger gestresst sind, wenn er nicht daheim ist.
Ich gehe den Flur entlang und zwinge meine kurzen Beine zu den langen Schritten, die ich mir angewöhnt habe, um mit Coltons großer Gestalt mitzuhalten. Vor seiner Tür begi