: Christine von Brühl
: Der Schattengarten Wie ich mein Glück im Moos fand
: Kanon Verlag
: 9783985681747
: 1
: CHF 11.70
:
: Geschenkbücher
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
I never promised you a rose garden! Christine von Brühls Mann hat ein verwildertes Grundstück im Wald entdeckt und möchte darauf einen Garten anlegen. Das Gelände ist unwegsam und düster, es gibt weder Wasser noch Strom. Dafür aber Brennnesseln. Christine vom Brühl fühlt sich verloren und fremd. Ihr Mann gewinnt Regenwasser vom Dach und leitet es ins Haus. Sie bewaffnet sich mit Gießkanne und Gummistiefeln und gießt eigenhändig die Rhododendren. Das Projekt ist zu einem gemeinsamen geworden. Aber plötzlich taucht ein neuer Gegner auf. Als wären Trockenheit und fehlendes Licht nicht schon genug. Er ist mächtig, er ist der kosmische Antagonist des halbschattigen Gärtnerpaares: die Wühlmaus. - Eine Geschichte voller Naturverbundenheit, Widerstandswillen und Beziehungssinn. Genial illustriert von Teresa Habild. Für alle Halbschattengewächse.

Christine von Brühl, geboren 1962 in Ghana, studierte Slawistik, Geschichte und Philosophie in Lublin, Heidelberg und Wien. Promotion über das Dramenwerk von Anton Pavlovic Cechov. Nach Stationen bei der Zeit, Sächsischen Zeitung und dem Magazin arbeitet sie als Autorin und Publizistin und leitet das Chemnitzer Büro der Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Mit ihrer Familie lebt sie in Berlin und im Harz.

Kapitelii

Ruf der Wildnis


Über eine schnurgerade Straße, die zum Kyffhäuser hinaufführte, gelangten wir an den unteren Rand des Bergzugs. Dicht bewaldet, erhob er sich wie ein schlafendes Tier parallel zur Autobahn aus dem flachen Land. Einem Zeigefinger gleich, ragte das Kaiser-Wilhelm-Denkmal darin auf. Es war unübersehbar.

Wir stellten das Auto ab, packten unsere Einkäufe in Rucksäcke und liefen zu Fuß weiter, denn die Straße war von hier ab nur noch schlecht befahrbar. Bald fing ich an zu schwitzen, meine Brille beschlug. Der Abzweig zum Grundstück war derart mit Gestrüpp und Brombeerranken bewachsen, dass wir ihn beinahe nicht erkannten. Dahinter war es plötzlich schattig und kühl. Ein schlammiger Hohlweg führte in den Wald hinein. Ich konzentrierte meinen Blick auf den Boden, um nicht auszurutschen oder zu stolpern. Zum Glück hatte ich meine Blundstones angezogen, Stiefel, die in Australien entwickelt worden waren. Damit konnte man sogar Feuer austreten.

Der Weg wurde steiler, der Untergrund steiniger. Felskanten waren unter den Schuhen zu spüren, die Steine zerklüftet und schartig gespült. Hier war bestimmt schon lange kein Fahrzeug mehr gefahren.»Jetzt ist es nicht mehr weit«, murmelte Franz und fing erwartungsfroh an zu pfeifen. Der Hohlweg verwandelte sich in einen schmalen Pfad und ließ sich nur noch langsam bezwingen. Das Dickicht rechts und links wurde dichter. Brennnesseln wuchsen auf dem Weg. Lange Halme und dornige Ranken schienen wie Arme nach mir zu greifen. Dahinter ragten Tannen, Kiefern und Fichten empor: Sie wuchsen eng aneinander den Hang hinauf. Es herrschte düstere Stille.

Franz hatte sich mit einem Stock bewaffnet und schlug die Brennnesseln zur Seite. In grünen Fetzen flogen die Blätter und Stiele durch die Luft. Ich musste aufpassen, dass mich nichts davon traf. Auf einmal bog er rechts ab und kletterte scheinbar ansatzlos den Hang hinauf, doch er hatte sich nicht geirrt: Der Untergrund wurde lichter und wies Reste einer Fahrspur auf. Hier war offensichtlich einst der reguläre Zugang zum Grundstück gewesen.

Wir folgten der Fährte, überwanden Wurzeln und Steine, bogen ein zweites Mal nach rechts ab, und – plötzlich waren sie zu erkennen: zwei alte Hütten, eine rechts, eine links im Hintergrund, das Holz vor Nässe schwarz, die Fenster stumpf. Notdürftig mit Pappe und Teer bedeckt, duckten sie sich in die Wildnis. Erleichtert, am Ziel angelangt zu sein, marschierte Franz mit schnellen Schritten auf die Behausungen zu, den harten Brennnesselstock noch immer in seiner Hand.»Alles meins«, schien er mir bedeuten zu wollen,»mein Land, meine Häuser, mein Wald«, aber er sprach es nicht aus.

Ich blieb allein zurück und versuchte, mich zurechtzufinden. Haushoch ragten Farne, Gräser und Buschwerk auf, ließen kaum Licht od