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Im Land des Kampfes
Der schlafende Fischer
Das Leben ist voller Konflikte, und egal ob man eher konfrontativ oder harmoniebedürftig ist, man kann den meisten nicht aus dem Weg gehen. Sie sind einfach überall zu finden, wo wir in Beziehung mit anderen treten oder Ziele verfolgen. Sie entstehen aber nicht nur im Kontakt mit unserer Umgebung, sondern sie liegen auch in uns, wenn zum Beispiel verschiedene Bedürfnisse miteinander konkurrieren.
Wie können wir dieser großen Anzahl an Konflikten gerecht werden? Indem wir unsere Schlachtfelder auswählen. Manche Kämpfe wollen wir angehen, andere nicht. Besonders die wichtigsten Auseinandersetzungen werden dabei gerne vermieden. Zum Beispiel wird in Beziehungen meistens wegen Nebensächlichkeiten gestritten, aber die Intensität des Streits um diese Kleinigkeiten zeigt, dass es noch ein größeres Problem geben muss, das unter der Oberfläche liegt und ignoriert wird. Wir wählen lieber die kleineren Konflikte, weil die großen zu viel Risiko in sich tragen. Wir gehen lieber Auseinandersetzungen ein, bei denen wir uns sicher sind, dass wir siegen oder zumindest ein Unentschieden erreichen werden. Doch im Land des Kampfes müssen wir die Kontrolle aufgeben und uns auf einen Kampf einlassen, der unberechenbar ist.
Wir hätten das Thema nicht so lange verdrängt, wenn es eine einfache Lösung geben würde. Und weil wir nicht wissen, ob wir gewinnen werden, brauchen wir eine zusätzliche Motivation, um uns darauf einzulassen. Hier kommt das Leiden ins Spiel. Es fordert uns zu den Kämpfen heraus, denen wir sonst immer aus dem Weg gegangen sind. Das Leiden zeigt, dass unser Leben so nicht weitergehen kann. Wir müssen uns einsetzen, damit wir unseren Frieden zurückgewinnen.
Wir sind wie der Fischer, der in seinem kleinen Fischerboot im Hafen ruhig eingeschlafen war. Als er träumte, zog ein Wind auf, und das Schiff löste sich vom Steg. Die Wellen trugen ihn langsam aufs offene Meer hinaus. Plötzlich schreckte der Fischer hoch und sah das Ufer in weiter Ferne liegen. Mit aller Kraft ruderte er gegen die Strömung. Die Gischt brach sich am Bug, während er sich durch die Wellen kämpfte. Er hatte den Hafen noch im Herzen und ließ seine Hoffnung, diesen wiederzusehen, nicht fahren.
So fühlt es sich in diesem Land an. Es ist wie ein Kampf gegen Naturgewalten und man kann nicht sagen, ob man den alten Hafen, sein altes Leben, jemals wiedersehen wird.
Ist der Kampf des Fischers eine Stärke oder eine Schwäche? Man könnte argumentieren, dass ihn seine Nachlässigkeit erst in diese Situation gebracht hat und sein Rudern ein Zeichen des Versagens ist. Doch in gewisser Hinsicht sind wir alle wie Schlafende, die auf dem weiten Meer treiben. Jeder Mensch hat Kämpfe, die er nicht ausfechten will oder kann. Sollte man deshalb auf den Fischer herabsehen? Sein Kampf gegen die Wellen ist ein Zeichen der Stärke, nicht der Schwäche. Er könnte sich auch treiben lassen, sich seinem Schicksal ergeben oder versuchen, weiterzuschlafen.
Für diese zweite Möglichkeit kann man sogar eine geistliche Begründung finden. Der religiöse Fatalismus sagt: »Weil Gott allmächtig ist und weil wir in seiner Hand sind, sollen wir unser Schicksal annehmen, egal was kommt. Gott hat schon alles vorausgesehen und es hat einen Grund. Wir bewerten die Ereignisse in unseren Kategorien von gut und schlecht, aber Gott sieht das große Bild und kommt zu anderen Bewertungen, und er wird schon wissen, warum er das alles zugelassen hat.« Wer so denkt, darf nicht kämpfen. Er soll loslassen und annehmen und sich nicht gegen sein Schicksal auflehnen.
Ich glaube nicht, dass dies wirklich Gottes Wille ist, und plädiere dafür, sich so sehr gegen die Schwierigkeiten aufzulehnen, wie es einem möglich ist. Wenn Sie wach geworden sind, dann nehmen Sie die Ruder in die Hände und lassen Sie sich nicht von den Wellen abschrecken. Das ist die Herausforderung dieser Phase der Krise und mit ihr ist auch Heilung verbunden, die wir erleben sollen.
Gott fordert uns heraus, aber er lässt sich auch gerne herausfordern. Nicht alles, was geschieht, kommt von ihm, und manches dürfen wir wieder zurückschicken. Wir wissen nicht, ob dieser Kampf erfolgreich sein wird, deshalb erfordert er Mut, aber Gott steht an unserer Seite und kämpft mit uns.
Einfach nur überleben
Als ich im Krankenhaus lag, führte ich einen anderen Kampf als der Fischer. Aus mei