2. KAPITEL
Draco griff nach seinem Champagnerglas. Er wusste, dass er seine Hände mit irgendetwas beschäftigen musste, sonst würde er in Versuchung geraten, sie nach ihr auszustrecken. Er konnte warten. Sicher konnte er das. Allegra wollte die Ehe nur auf dem Papier belassen, aber er wusste, dass sie einknicken würde, noch ehe die Tinte auf der Heiratsurkunde getrocknet war.
Ihm war klar, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Als Teenager war sie verknallt in ihn gewesen, was ihn damals gleichermaßen amüsiert und geärgert hatte. Sein Verhalten ihr gegenüber war ein wenig rücksichtslos gewesen, doch er hatte kein Interesse daran gehabt, sich Schwierigkeiten mit einem Teenager einzuhandeln, vor allem nicht so schnell nach der Trennung von seiner Exfreundin, die er eigentlich hatte heiraten wollen.
Doch jetzt war Allegra kein Teenager mehr, sondern eine Frau – eine wunderschöne Frau in der Blüte ihres Lebens.
Und er wollte sie.
Seit London war ihm bewusst, dass Allegra genau die Frau war, nach der er suchte. Und als ihr Vater, Cosimo Kallas, zu ihm gekommen war und ihn um Hilfe gebeten hatte, hatte er die Gelegenheit ergriffen und eine Ehe mit ihr zur Bedingung für seine finanzielle Unterstützung gemacht. Außerdem gab es noch andere Männer, die wie Haie um das Geld kreisten, das ihr Vater ihnen schuldete, Männer, die nicht zögern würden, Allegra auch nachzusetzen. Er konnte nicht einfach zusehen, dass einer von ihnen sie in sein Bett zwang, um so die Schulden zu begleichen. Wie würde es Allegra dann ergehen? Ihr Vater hatte viele Geschäftspartner verärgert. Und Draco würde nicht zulassen, dass ihr irgendetwas passierte, nur weil ihr Vater ein Dummkopf war.
Allegra hatte Klasse. Sie war sehr gebildet, sprachgewandt – und zur Hälfte Griechin. Sie ging wie eine Tänzerin, mit ihrer schlanken Figur, die über den Boden zu schweben schien. Ihre glänzenden schwarzen Haare reichten fast bis zur Taille. Wenn sie sich bewegte, schwangen sie wie ein seidener Vorhang um ihre Schultern und hielten seinen Blick gefangen. Immer wieder stellte er sich ihre seidigen Haare auf seiner Brust ausgebreitet vor, ihre langen schlanken Beine mit seinen verschlungen.
Draco unterdrückte einen Schauer der Vorfreude. Er war heiß auf sie. Richtig heiß. Er musste sie nur ansehen, schon geriet sein Blut in Wallung. So wie in dem Moment, als sie den Champagner über ihre Bluse geschüttet und der nasse Stoff ihre Brust hervorgehoben hatte. In der Vergangenheit hatte er sie selten berührt. Seit dem Kuss damals als Teenager hatte er respektvoll Abstand gehalten, weil er nicht wollte, dass Grenzen überschritten wurden. Damals hatte er klar und deutlich gesagt, dass er kein Interesse hatte, weil er ihr keine falschen Hoffnungen machen wollte.
Doch jetzt war das etwas anderes. Ihre Ehe wäre nicht von Dauer. Sie würde nur solange Bestand haben, bis das Geschäft gesichert war. Draco hatte nichts gegen eine langfristige Ehe, aber im Moment konnte er sich so etwas für sich nicht vorstellen.
Er hatte Allegra mit dem Erben, den er sich wünschte, aufgezogen, um herauszufinden, wie sie zum Thema Kinder stand. Es wäre nicht fair, sie an eine Ehe zu binden – auch wenn sie nur kurz war –, sollte sie sich verzweifelt Kinder wünschen. Zum Glück war das nicht der Fall. Und für ihn war ein Kind das Letzte, was er wollte. Wenn er an seine eigene Kindheit dachte, war er nicht einmal sicher, ob er überhaupt je eine Familie wollte.
Als seine Mutter an einer Blindarmenzündung gestorben war, war Draco sechs Jahre alt gewesen. Er und sein Vater hatten zusammengehalten, fest entschlossen, in einer Welt zu überleben, die von ihnen weder Notiz nahm noch ihnen Hilfe anbot, weil sie kein Geld hatten. Draco konnte sich noch genau erinnern, wie er mit seinem Vater, einem Fischer, eines Tages am Hauptsitz des Unternehmens der Familie Kallas vorbeigegangen war. Sein Dad hatte zu dem Gebäude mit dem schimmernden Messingschild hochgeschaut und seinem Wunsch Ausdruck verliehen, dass Draco es einmal weit bringen sollte. Er wünschte, dass sein Sohn etwas aus sich machte, damit er sich nicht so abstrampeln müsste wie er selbst.
Als sein Vater dann bei einem Bootsunfall vier Wochen später ums Leben kam, stand Draco allein da und musste für sich selbst sorgen.
Doch die Worte seines Vaters begleiteten ihn, motivierten ihn und feuerten ihn an. Er kämpfte sich aus der Armut heraus, nahm verschiedene schlecht bezahlte Jobs an, während er versuchte, sich weiterzubilden. Mit neunzehn wurde er Teilhaber eines Geschäfts. Als sein Partner dann in den Ruhestand trat, übernahm Draco es ganz. Nach und nach erzielte er immer größere Erfolge, baute jedes Unternehmen, das er sich aneignete, aus und erweiterte es. Aus Draco war ein Selfmademan geworden, und er war stolz darauf. Niemand konnte sagen, dass er kein guter Fang war.
Jetzt nicht mehr.
Und