1. KAPITEL
Brütende Augusthitze lag über New York City, als Dominic St. Sebastian vor dem Dakota aus dem Taxi stieg. Das burgähnliche Gebäude war eines der bekanntesten Apartmenthäuser der Stadt, direkt am Central Park gelegen. Von der Trockenheit ausgedörrtes Laub fiel wie gelbes Konfetti von den Bäumen. Sogar der wie üblich dichte Verkehr aus Taxen, Limousinen und Touristenbussen auf der Upper West Side wirkte irgendwie gedämpfter als sonst.
Das ließ sich über den Portier des Dakota nicht sagen. Würdevoll wie immer verließ Jerome seine Loge, um dem Neuankömmling die Tür aufzuhalten.
„Vielen Dank.“ Doms leichter Akzent verriet den Europäer, obwohl das Englische ihm so leicht über die Zunge kam wie seine Muttersprache Ungarisch. „Wie geht es der Großherzogin?“
„Sie wollte auf niemanden von uns hören, aber Zia hat sie schließlich überredet, bei dieser Hitze auf ihren täglichen Spaziergang zu verzichten.“
Es überraschte Dom nicht, dass seine Schwester gesiegt hatte, wo andere sich geschlagen geben mussten. Anastazia Amalia Julianna St. Sebastian vereinte die exotische Schönheit eines Models mit der Beharrlichkeit einer Bulldogge.
Zia und Dom hatten ihre entfernte Verwandte, die Großherzogin Charlotte, erst im vergangenen Jahr kennengelernt und sofort eine herzliche Verbindung zu ihr gefunden. So herzlich, dass Charlotte Zia eingeladen hatte, während ihrer Zeit als Assistenzärztin im Mt. Sinai Hospital an der Ostseite des Central Parks hier bei ihr im Dakota zu wohnen.
„Hat meine Schwester schon die Station gewechselt?“ Dom hatte keinen Zweifel, dass der Portier das wusste. Jerome kannte die meisten Bewohner des Dakota, aber mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgte er die Aktivitäten seiner Lieblinge. Und ganz oben auf dieser Liste standen Charlotte St. Sebastian und ihre zwei Enkeltöchter, Sarah und Gina. Zia war unlängst ebenfalls in diesen Kreis aufgestiegen.
„Ja, in der vergangenen Woche“, wusste Jerome zu berichten. „Sie sagt nichts, aber man merkt, dass die Onkologie ihr zusetzt. Das würde sicher jedem so gehen – all diese kranken Kinder!“ Er schüttelte den Kopf. „Zia hat sich heute Nachmittag freinehmen können, als sie hörte, dass Sie kommen. Und Lady Eugenia ist auch da. Sie ist gestern Abend mit den Zwillingen eingetroffen.“
„Ich habe Gina und die Kinder seit der Geburtstagsfeier der Großherzogin nicht mehr gesehen. Die Mädchen müssen jetzt wie alt sein – sechs Monate? Oder sieben?“
„Acht.“ Ein Lächeln glitt über Jeromes zerfurchtes Gesicht. Wie alle war er den beiden kleinen Mädchen mit ihren Schmollmündchen, den himmelblauen Augen und den feinen blonden Locken hoffnungslos verfallen.
„Lady Eugenia sagt, sie können schon krabbeln. Achten Sie darauf, wo Sie hintreten“, warnte er.
„Das werde ich“, versprach Dom grinsend.
Während der Fahrstuhl ihn in den fünften Stock brachte, erinnerte er sich an die Zwillinge, wie er sie das letzte Mal gesehen hatte. Mit ihrem glucksenden Lachen und den fliegenden kleinen Fäustchen waren sie Herzensbrecher erster Güte.
Seither hatten sich ihre Lungen offenbar gut entwickelt, wie Dom schnell feststellen konnte, als eine gehetzt wirkende Frau mit hochrotem Gesicht auf sein Klingeln hin die Tür aufriss. „Das wird aber auch Zeit! Wir haben schon …“ Sie unterbrach sich und sah ihn durch ihre dicken Brillengläser verblüfft an. „Sie sind nicht von Osterman!“
„Vom Lebensmittelladen? Nein, das stimmt.“
„Aber wer …? Ach! Sie sind Zias Bruder!“ Ihre Nasenflügel bebten, so als habe sie plötzlich etwas Unangenehmes gerochen. „Der, der die Frauen wechselt wie andere das Hemd.“
Dom war erstaunt über diesen Empfang, konnte aber nichts dagegen sagen. Er liebte die Frauen. Genauer: un