: Detlev G. Winter
: Mondnacht Terra Utopia - Band 17
: Novo Books
: 9783961274192
: Terra-Utopia
: 1
: CHF 1.80
:
: Science Fiction
: German
: 108
: kein Kopierschutz/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF/ePUB
Drei erfolgreiche Kolonien haben die Menschen auf dem Erdtrabanten errichtet. Während er auf der Erde durch die zunehmende Umweltzerstörung zu immer größeren Problemen kommt, verläuft auf dem Mond das Leben ruhig und beschaulich. Dann erreichen fremdartige Funksignale die Kolonien, die aus einem weit entfernten Krater gesendet werden. Wer sind die Absender? Menschen können rs nicht sein. Eine Expedition bricht auf, um das Geheimnis zu ergründen. Doch das Unternehmem endet in einem Desaster. Dann bricht der Kontakt zur Erde ab, und das ist der Anfang vom Ende für die Mondkolonie. Wird es die Menschheit schaffen, dem Untergang zu entgehen? Ein deutscher SF-Klassiker in Neuauflage.
Wenn Leister in der Lage gewesen wäre, die Situation, in der er sich befand, bewusst mitzuerleben und einzuschätzen, hätte ihn vermutlich das Grauen gepackt. Sein Schädel war glattrasiert; von der schulterlangen Haarpracht, die seit jeher sein größter Stolz gewesen war, hatte man nicht den kleinsten Flaum übriggelassen. An verschiedenen Punkten der Glatze waren Kontakte befestigt worden. Sonden, deren größte Durchmesser nicht mehr als den Bruchteil eines Millimeters betrugen, hatten sich durch die Schädeldecke hindurch in die Gehirnmasse gebohrt; ihre mit empfindlichen Sensoren versehenen Spitzen berührten jene Sektoren, die für die Speicherung des Unbewussten zuständig waren. Fingerdicke Kabel führten von den Kontakten zu jenem Gerät, das die von den Sonden auf gefangenen Eindrücke verarbeiten und auf einem Bildschirm sichtbar machen würde. Weitere Apparaturen zeigten laufend Puls, Blutdruck und Atmungsfrequenz an. Derjenige, auf den sich all diese Bemühungen konzentrierten, ruhte auf dem Behandlungstisch. Leisters Augen starrten auf einen imaginären Punkt, der zwar in Richtung der Decke, jedoch unschätzbar weit entfernt zu liegen schien. Es war der Blick eines Mannes, welcher der Umwelt den Rücken gekehrt hatte und allein die eigene Person als Bezugspunkt zu erkennen vermochte. Was in der Umgebung vor sich ging, nahm er nicht bewusst wahr, nur sein Inneres war ihm begreiflich und in gewisser Weise gegenständlich. 'Sind Sie so weit, Doc?' Mart Hawkins, der Kommandant der Mondkolonie, sah sich in dem kleinen Experimentierraum um. Er glaubte, die drückende Atmosphäre, die über dem Geschehen lastete, fast körperlich zu spüren. Jeder war sich der Verantwortung bewusst, die er auf sich lud, indem er an dem Versuch teilnahm und auf diese Weise vielleicht dazu beitrug, dass Leister den Verstand vollständig verlor. Der Angesprochene blickte von den Messinstrumenten auf. 'Wir können beginnen.' Mart nickte ihm auffordernd zu, und der Arzt begann an den Schaltern des Gehirndetektors zu hantieren. Einer seiner Mitarbeiter behielt ständig den Kranken und die Kontrollgeräte im Auge. Jede Unregelmäßigkeit in Leisters Lebensfunktionen würde er sofort melden. Vorerst ergab sich dazu jedoch keine Veranlassung. 'Was ist?', erkundigte sich Hunter McCarthey, der Stellvertreter des Kommandanten, ungeduldig, nachdem mehrere Minuten verstrichen waren, ohne dass auf dem Monitor ein Bild erschien. 'Funktioniert es nicht?' Dr. Dolan fuhr herum. Sein Gesicht war Zorn gerötet. 'Wenn Sie einem Experiment beiwohnen, von dessen Ablauf Sie keine Ahnung haben, dann halten Sie sich mit Kommentaren gefälligst zurück! Glauben Sie, man könnte ein krankes Bewusstsein von einer Sekunde zur anderen anzapfen?' Hunter murmelte betroffen eine Entschuldigung. Er sah ein, dass der Arzt hochgradig erregt war. Schließlich leitete er hier einen Versuch ein, der gegen seine innere Überzeugung verstieß und gegen dessen Ausführung er sich bis zuletzt gewehrt hatte. 'Atmungsfrequenz nimmt zu', meldete der Assistenzarzt, der den Patienten betreute und die Messgeräte nicht aus den Augen ließ. 'Das ist normal', bestätigte Dolan, ohne sich in der Bedienung des Detektors weiter stören zu lassen. Mart wagte kaum zu atmen, und seinen Kollegen ging es vermutlich ebenso. Obwohl er versuchte, das Geschehen mit wissenschaftlicher Sachlichkeit zu betrachten, spürte er deutlich, wie ihm angesichts der Ungeheuerlichkeit des Experiments kalte Schauer über den Rücken liefen. Zum hundertsten Mal fragte er sich, ob es wirklich richtig und notwendig gewesen war, den Einsatz des Gehirndetektors gegen den entschiedenen Widerstand der Ärzte anzuordnen. Wahrscheinlich hätte Leister in wenigen Tagen ohnehin zu sich gefunden. 'Da!' Hunters Aufschrei riss den Kommandanten aus seinen Grübeleien. Auf der Bildscheibe des Monitors waren farbige Muster entstanden, die zunächst keinen Sinn zu ergeben schienen. Wirre Linien, Kreise und Designs wirbelten durcheinander, überlagerten sich und bildeten fort während neue Kompositionen. Sprachlos starrte Mart auf den Schirm. Sollten das die sichtbar gemachten Hirnströme des Unbewussten sein? 'Das Bild ist noch nicht stabilisiert', verkündete Dolan und beantwortete damit die unausgesprochene Frage. 'Aber ich werde es gleich haben!' In seiner Stimme schwang trotz aller Ablehnung etwas Begeisterung über das gelungene Experiment mit. Die Freude des Wissenschaftlers war in diesen Sekunden größer als der Abscheu des Arztes. Das neu entwickelte, an Menschen kaum erprobte Gerät schien die Erwartungen zu erfüllen, die die Konstrukteure in es gesetzt hatten. Nach wenigen Minuten gelang es Dolan schließlich, das Farbengewirr zu stabilisieren. Der Bildschirm zeigte einen blauen Kreis auf orangefarbenem Hintergrund. 'Was bedeutet das?', fragte Mart. 'Atmungsfrequenz stabilisiert sich', meldete der Assistenzarzt. Dolan sah sich triumphierend in der Runde um. Es war ihm anzusehen, dass er den Sinn des wiedergegebenen Bildes verstand. Es bereitete ihm Genugtuung, seine Überlegenheit auszukosten. 'Sein Unterbewusstsein ist nicht aktiviert', erklärte er endlich, 'sofern ich den Zustand, in dem es sich befindet, einmal so nennen darf. Um brauchbare Bilder zu bekommen, muss ein elektrischer Impuls gegeben werden. Ich kann jedoch nicht dafür garantieren, dass wir gerade das zu sehen bekommen, was für uns von Interesse ist.' 'Sie wissen ebenso gut wie ich', erwiderte Mart scharf, 'dass es relativ einfach ist, aus der Fülle der Informationen, die im Unterbewusstsein verankert sind, jene zu lokalisieren, die für uns Wichtigkeit besitzen. Es ist nur eine Frage der Zeit.' 'Aber je länger dieses Experiment dauert, desto größer ist die Gefahr, dass der Patient zum Vollidioten wird!', entgegnete der Arzt heftig. 'Darüber wurde ausführlich diskutiert, und meine Einstellung zu dem Problem hat sich nicht geändert. Arbeiten Sie also bitte weiter!' Grollend fügte sich Dolan der Anweisung. Längst hatte er den Versuch aufgegeben, den Kommandanten von der Gefährlichkeit des Gehirndetektors zu überzeugen. Trotzdem gelang es ihm nicht, seine ablehnende Haltung zu unterdrücken. Als er jetzt einen kurzen elektrischen Impuls in Leisters Gehirn sandte, tat er es mit größtem Widerwillen. Der Erfolg zeigte sich augenblicklich. Der blaue Kreis begann zu zittern, dehnte sich langsam aus und zerplatzte schließlich in unzählige farbige Körnchen, die wahllos umherwirbelten und vielfältige Muster formten. 'Atmungsfrequenz steigt wieder.' Ein weiterer Impuls. Die Körnchen vergrößerten sich, und jedes Mal, wenn zwei oder mehrere sich berührten, verschmolzen sie miteinander. Bald war das Orange des Hintergrunds vollständig verdeckt. Ein erkennbares Bild stabilisierte sich jedoch erst, nachdem Dolan einen dritten Impuls gesendet hatte. 'Patient atmet sehr schnell; Puls und Herzschlag steigen bedenklich', meldete der Assistenzarzt. Dolan kümmerte sich nicht darum, sondern deutete auf den Monitor. Sein Blick war eine einzige Anklage. 'Sie haben Glück gehabt! Sie sehen genau das, worauf Sie gewartet haben: den Krater Petavius. An der Bewegung können Sie erkennen, dass sich das Geschehen chronologisch genau abspielt. Sie brauchen nur zu warten.' Er hatte recht. Deutlich war auf dem Monitor das Innere des gewaltigen Kraters zu erkennen, wie es