Ein Ehepaar (sie 36 Jahre, er 39 Jahre alt) kommt wegen unerfüllten Kinderwunsches in die psychologische Beratung. Seit zweieinhalb Jahren verhüten sie nicht mehr. Die medizinische Untersuchung ergibt einen stark eingeschränkten Befund beim Mann, so dass aus medizinischer Sicht nur die intrazytoplasmatische Spermiuminjektion (ICSI) Aussicht auf eine Schwangerschaft verspricht. Innerhalb von knapp zwei Jahren hat das Paar in einer reproduktionsmedizinischen Praxis 13-mal jeweils drei Embryonen transferieren lassen, die längste nachgewiesene Schwangerschaft währte 10 Wochen. Der behandelnde Arzt schlug dem Paar einen vierzehnten Versuch vor, die Voraussetzungen seien doch gut. Die Frau ist sich unsicher, ob sie die Strapazen weiter auf sich nehmen möchte. Auf die Frage, was das Paar noch versuchen wolle, um den Wunsch nach einem leiblichen Kind zu realisieren, wird die Idee geäußert, im Ausland eine Präimplantationsdiagnostik durchführen zu lassen, um möglicherweise vorliegende embryonale Defekte zu erkennen. Außerdem wird eine naturheilkundliche Behandlung in Erwägung gezogen. Dass die medizinische Therapie »erfolglos«, also ohne Kind, bleiben könnte, ist für das Paar nicht vorstellbar.
Wir haben das erste Kapitel mit einem extremen Fallbeispiel in Bezug auf die Zahl der Behandlungszyklen eingeleitet, um Ihnen zu verdeutlichen, dass die fortpflanzungsmedizinische Behandlung gelegentlich einen ungünstigen Verlauf nehmen kann: Sowohl das Paar als auch die Fortpflanzungsmediziner haben nur noch das leibliche Kind als Ziel vor Augen, andere Möglichkeiten können nicht (mehr) gesehen werden.
In diesem Abschnitt verdeutlichen wir, welche Möglichkeiten, aber auch welche Schwierigkeiten die Entwicklung der Fortpflanzungsmedizin in den letzten Jahrzehnten für ungewollt kinderlose Paare mit sich gebracht hat, und was dieser medizinische Fortschritt für den Umgang des Paares mit der Kinderlosigkeit bedeuten kann.
Inzwischen sind we