Manbok-sa Chŏp’o ki
萬福寺樗蒲記
Aufzeichnungen über eine Würfelpartie im Tempel des grenzenlosen Glücks
In Namwŏn lebte einst ein junger konfuzianischer Scholar, Yang mit Familiennamen, der schon früh Vater und Mutter verloren hatte. Noch unverheiratet, hauste er zeitweilig ganz für sich allein in einem Kämmerlein im Ostflügel des Manbok-sa, des »Tempels des grenzenlosen Glücks«.1
Draußen vor seiner Stube stand ein Birnbaum, und nun, da der Frühling Einzug gehalten hatte, blühte dieser so prächtig, als wäre er ein Silberschober auf einem Stamm aus feinster Jade. In Mondnächten pflegte der Scholar sich unter diesen Baum zurückzuziehen, wobei er dann mit heller Stimme die folgenden Zeilen sang:
Eines Birnbaums Blüten, Gefährten mir in stiller Trübsal;
kläglich ist’s, denn ungenutzt verstreicht die mondhelle Nacht.
Der Jüngling, allein liegt er am einsamen Fenstersims;
wo nur bläst die jadegleiche Maid derweil die Phönixflöte2?
Ein Eisvogel, einsam umherfliegend, kann sich nicht paaren;
ein Braut-Enterich, die Gespielin hat er verloren, badet in besonntem Strom.
In wessen Haus ist sie verabredet, Paduksteine3 übers Spielbrett zu ziehen?
Des Nachts les ich aus der Lampendochtblüte und lehne wehmütig am Fenster.
Als sein Gesang verklungen war, vernahm er plötzlich eine Stimme, die ihm aus den Lüften zuraunte: »Wenn der edle Herr jemanden begehrt, mit dem er geneigt ist, zusammen zu sein:4 Was sollte er sich sorgen, dass es ihm misslänge?« Wie erfüllten diese Worte des Scholaren Herz mit Freude!
Der folgende Tag war der vierundzwanzigste des dritten Mondmonats. Nun war es in jener Gegend Brauch, an ebendiesem Tag im Manbok-Tempel Lampionlichter zu entzünden und vor der Statue des Buddha um Glück zu beten. Scharen von Männern und Frauen versammelten sich daher, und ein jeder brachte die eigenen Wünsche vor.
Als der Tag zur Neige gegangen, das letzte Loblied auf den Buddha verklungen und kaum noch jemand zugegen war, steckte der Scholar ein Holzstäbchenwürfelspiel,Chŏp’o genannt, in den weiten Ärmel seines Gewandes, betrat die Hauptgebetshalle, warf die Holzstäbchen vor den Buddha hin und sprach: »Eine PartieChŏp’o will ich heute mit Euch spielen, Buddha. Sollte ich verlieren, so werde ich alles für eine Dharma-Unterweisungszeremonie5 herrichten, um damit meine Wettschuld zu begleichen. Verliert Ihr aber, Buddha, so sollt Ihr mir eine Schöne zuteilwerden lassen, auf dass mein innigster Wunsch in Erfüllung gehen möge.«
Sprach sein Gebet, warf die Würfelstäbchen, und tatsächlich: Der Scholar gewann! Da kniete er vor dem Buddha nieder und meinte: »Mein Karma steht ja lang schon fest! Betrügen dürft Ihr mich jetzt nicht!« Eilig verkroch er sich sodann unter einem Altar, um auf jene zu warten, die ihm versprochen war.
Kurz darauf schon erschien tatsächlich ein liebreizendes Mädchen, vielleicht fünfzehn, sechzehn Jahre alt. Ihr Haar war auf beiden