: Alfred Schmid
: Die Erfindung der Nativität. Zur Entstehung der Horoskop-Astrologie im spätptolemäischen Ägypten
: Books on Demand
: 9783758336058
: 1
: CHF 9.90
:
: Altertum
: German
: 362
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Astrologie der Geburts-Horoskope ist sehr wahrscheinlich im 2. Jhdt. v. Chr. in Ägypten in einem bilinguen griechisch-ägyptischen Milieu entstanden. Sie war eine neuartige Form von Divination, in welcher aristotelische Physik mit babylonisch-ägyptischer Tempelwissenschaft kombiniert wurde. Ihr Auftauchen bezeugt einen akutgewordenen Bedarf an Reflexion von individueller Wesensart, sie schafft im Horoskop ein Formular menschlicher Singularität, das mit physikalisch fixierbar globalen Parametern operiert. In diesem Formular der"Gebürtlichkeit" wird Individualität als mundaner Sachverhalt objektiviert. Menschliche Individualität ist somit kein Exklusivmerkmal der Moderne, sondern das vor- oder gar antimoderne und zugleich globale Format einer fatalen Weltbindung menschlicher Subjektivität. Das Horoskop entsprach wohl einem Bedürfnis gemischtkultureller Eliten nach Identität jenseits kollektiv kultureller Differenz, und sie mag zudem das fadenscheinig gewordene Fremd-Königtum der späten Ptolemäer in seiner traditionellen Funktion des Horizonts, der das Menschliche mit dem theophanen Kosmos verbinden sollte, theoretisch-systematisch kompensiert haben. Der König wird in dem astronomisch realen Formular des Horoskops durch das fatale Individuum in seiner"Nativität" ersetzt.

Alfred Schmid promovierte 2005 in Basel mit einer Dissertation zur politischen Funktion antiker Astrologie ("Augustus und die Macht der Sterne"). Weitere Schwerpunkte seiner Forschung waren die griechische Historiographie, das Königtum, die Geschichte des Naturbegriffs, die Geschichtsreligion im 19. Jahrhundert sowie der Vergleich mit Altchina. Er war von 2000 bis 2022 an verschiedenen schweizerischen und deutschen Universitäten in Lehre und Forschung tätig und gehörte auch zu den Herausgebern mehrerer Bände der kritischen Edition der Werke Jacob Burckhardts. Das vorliegende Buch ging aus einem Förderprojekt der DFG hervor, mit der Projektnr. 3976011187.

Vorbemerkung


Dieses Buch ist die Frucht eines durch dieDeutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) grosszügig vier Jahre lang finanzierten Forschungsprojekts mit eigener Stelle an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dort angesiedelt im Fachbereich Alte Geschichte unter der Ägide von Stefan Pfeiffer.

Dass es in dieser etwas ‘selbstgebastelten’ Form veröffentlicht wird, hat mit den Umständen seiner Entstehung zu tun, die in die Zeit von 2018-2022 fiel, d. h. in die Zeit der Corona-Restriktionen, die mir auch seit Anfang 2020 nicht mehr erlaubten, nach Deutschland zu reisen. Immerhin sind in der ersten Phase noch Dienstreisen nach Cambridge, Oxford und Heidelberg möglich gewesen. Ein lange geplanterworkshop zum Thema der „Ordnung des Singulären“ („The Cultural Background of Birthchart-Astrology. Vorsehung, Schicksal, Teleologie“) hat dann im März 2022 im online-Format doch noch stattgefunden und wäre ohne die kundige Organisation und Leitung von Nesina Grütter nicht möglich gewesen. Ich habe von verschiedener Seite für mein Arbeiten und Fortkommen Hilfe, Zuspruch und Anregung erhalten. Besonders hervorheben möchte ich, neben den schon genannten Stefan Pfeiffer und Nesina Grütter: Enno Rudolph, Stefan Rebenich, Rita Gautschy, Andreas Winkler, Ian Moyer, Hubert Cancik, Hildegard Cancik-Lindemaier, John Weisweiler, Joachim Friedrich Quack, Francesca Rochberg, Geoffrey Lloyd, Livia Capponi, Franziska Naether, Sandra Scheuble-Reiter und Monika Leonhardt als Ansprechspartnerin in Halle. Das Manuskript ist gründlich lektoriert und auch stilistisch sehr verbessert worden durch Viviane Fahr Gratzl. Meine Frau Marceline hat mir die ganze Zeit den Rücken freigehalten.

Die erschwerten Umstände haben die Ausarbeitung meines Projekts nicht entscheidend behindern können, sie haben aber das wissenschaftliche Umfeld, in dem es offiziell, und vom deutschen Steuerzahler unterstützt, angesiedelt war, radikal verändert. Was sich für mich verändert hat, ist die Wissenschaft als Institution einer an Rationalität, Evidenz und intellektueller Redlichkeit ausgerichteten Öffentlichkeit. Diese mag zwar schon immer mehr Ideal und fraglos beschworene Norm gewesen sein als selbstverständliche Praxis, doch schien wenigstens die Norm im Bedarfsfall unter guten Umständen einklagbar zu sein, od