Die alte Bense
Die alte Frau hatte keine Chance gehabt. Sie hatte in der Küche am Herd gestanden, als jemand hereingekommen war, die gusseiserne Bratpfanne ergriffen und sie damit niedergeschlagen hatte. Nun lag die alte Frau in ihrem Blut auf dem Küchenboden inmitten von Rührei, Würstchen und Bratkartoffeln, die sie offenbar in ebenjener Pfanne gebraten hatte, als das Schicksal zuschlug. Jemand hatte beschlossen, dass die alte Frau in der geblümten Kittelschürze und der alten, verfilzten grünen Strickjacke sterben müsse, jetzt, in dieser Küche, an diesem schönen Altweibersommertag auf der Urlaubsinsel Föhr. Einundachtzig Jahre war sie alt geworden.
John Benthien, Erster Hauptkommissar bei der Kripo Flensburg, hatte schon einige blutige Tatorte gesehen, aber dieser hier kam ihm besonders bizarr vor, weil das Grauen so schrecklich banal schien, fast spießig. Da war eine Frau gestorben, während sie in ihrer ordentlichen, blitzsauberen Küche ein einfaches, solides Mittagessen zubereitet hatte. Und vorher hatte sie offenbar Brot gebacken. Ein duftender, angeschnittener Laib Brot lag auf einem Brett, in einer überdimensionierten Größe, wie Benthien es nur als Kind einmal bei Bauern gesehen hatte, daneben lagen ein Klumpen Butter und eine Salami.
Um ihn herum bewegten sich Claudia Matthis und ihre Leute von der Spurensicherung in den weißen Tyvek-Anzügen, sein Freund und Kollege Tommy Fitzen stand vor dem Haus und hielt offenbar einen Klönschnack mit dem Inselpolizisten, und Lilly Velasco hörte er durch die oberen Räume laufen. Es galt, nachzusehen, ob sich noch jemand im Haus aufhielt, aber offenbar war es leer. Selbst die Laukats, ein Ehepaar aus Hamburg, das die Dachgeschosswohnung den Sommer über gemietet hatte, waren an diesem schönen Spätsommertag unterwegs.
Kurz darauf trafen der Doc aus Niebüll und der Leichenwagen ein.
Benthien begrüßte den Arzt, den er flüchtig kannte, weil er öfter für die Polizei arbeitete, überließ ihn seiner Tätigkeit und ging hinaus zu Fitzen und dem Inselpolizisten Holm Ingwersen.
»So muss man nun auch nicht gerade sterben, mit der Bratpfanne im Gesicht«, sagte Ingwersen, ein junger Mann mit Glatze und langen Koteletten, die in einen rötlichen Bart übergingen, tiefsinnig zu Benthien und trat seine Zigarette aus. »Obwohl sie ja’n büschen schwierig war, die alte Bense.«
»Inwiefern schwierig?«, erkundigte sich Benthien.
»Haare auf den Zähnen und ein lockeres Mundwerk. Die hat sich von niemandem was sagen lassen. Hardy hatte es nicht leicht mit ihr.«
»Hardy?«
»Hartmut Bense, ihr Sohn«, antwortete Tommy Fitzen, der sich offenbar schon bei dem ihm bisher unbekannten Kollegen kundig gemacht hatte. Fitzen brauchte höchstens fünf Minuten, dann behandelten ihn selbst Fremde wie einen, mit dem sie nach dem Pferdestehlen schon so manchen Köm geschluckt hatten.
»Er hat ein Ladengeschäft in Wyk«, erklärte Ingwersen, »Haus- und Tischwäsche, Bettwäsche und Frottierware. Mein Kollege bringt ihn gerade her. Armer Kerl. Er wird außer sich sein, wenn er hört, dass Gertrud tot ist. Er stand total unter ihrer Fuchtel. Außer ihr hatte er praktisch keinen anderen Menschen.«
»Was gena