: Jose Dalisay
: Killing Time in a Warm Place Roman aus den Philippinen
: Transit Buchverlag
: 9783887474546
: 1
: CHF 19.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 2005
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieser Roman entfaltet ein gewaltiges und weit gefächertes Panorama über das Leben auf den Philippinen während der Marcos-Diktatur. Die Meisten arrangieren sich, leben ihr Leben weiter, ob in Armut, in Slums oder erst recht in der wohlhabenderen Gesellschaft. Es gibt aber auch Widerstand, getragen vor allem von Studentinnen und Studenten. Sie demonstrieren, drucken Flugblätter, verstecken sich in Wohn- gemeinschaften und werden von Polizei und Militär bekämpft, gefoltert und in Lager gesteckt. Dalisay schreibt über Menschen innerhalb dieses Wider-stands, über deren Herkunft und persönliche Motive, politische Entschlossenheit, über Zweifel, Ängste und Anpassung, aber auch über Aufgabe und Verrat. Durch diese ineinander verwobenen Porträts gelingt dem Autor eine realistische, auch selbstkritische Parabel über politisches Wachwerden und die damit verbundenen Konflikte zwischen privaten Wünschen und hohen Zielen. Und das alles in einer variantenreichen Sprache und einer gekonnten Dramaturgie, die den Roman bis zur letzten Seite so fesselnd macht.

Jose Dalisay, 1954 geboren, war als Student aktiv im Widerstand gegen das Regime von Ferdinand Marcos und wurde in der Zeit des Kriegsrechts auf den Philippinen inhaftiert. Sein erster Roman »Killing Time in a Warm Place« erschien 1992. Dalisay ist einer der bekanntesten Autoren der Philippinen. Er schreibt Romane, politische Kolumnen, Gedichte, Theaterstücke und Kurzgeschichten. 2023 erschien »Last Call Manila« in deutscher Übersetzung. Er lebt in Quezon City.

DER SCHWARZE TEICH


Ich kam auf einen Campus, der geprägt war von nassen, grünen Tagen im Juni, vom herben Duft feuchter Blätter, von durch Blitzeinschlag in der Krone zersplitterten Akazien und dem ätzenden Geruch versengten Grases.

So frisch, so sauber – ganz im Gegensatz zum Rest der Stadt, an deren östlichem Rand der Campus lag. Eine lange, breite Allee erstreckte sich bis zum Torbogen des Eingangs, zu beiden Seiten der Allee befanden sich große Rasenflächen und, weiter entfernt, mächtige Bäume. Schon zu Highschool-Zeiten hatte ich diesen Ort manchmal besucht. Und irgendwann in einem Sommer sah ich rotbraune Pferde um ein Gebäude traben, in dem, wie ich später erfuhr, die Akademie für Tierhaltung residierte, auf der rechten Seite der Allee.

In meinem zweiten Studienjahr rannte ich in blinder Panik genau über dieses Gelände, aufgepeitscht vom Gewehrfeuer. Die Universität wurde vom Militär belagert, wir hatten Barrikaden aus Tischen, Bänken und Stühlen errichtet, ganz nah der Stelle, von der aus ich die Schulpferde bewundert hatte. Wir lagerten hinter der provisorischen Mauer, Studenten wie Professoren, hörten den Reden zu und sangen revolutionäre Lieder. Unsere Körper waren kalt, unser Atem warm. Man sprach über Frankreich, China und Vietnam. Auf der anderen Seite standen Marcos’ zusammengezogene Legionen: knüppelschwingende Bereitschaftspolizei in Khakiuniform und kobaltblauen Helmen, die Armee in ihrer Arbeitsuniform, mit Jeeps und Schnellfeuerwaffen. Die Emissionäre beider Seiten verhandelten schon den ganzen Morgen lang, Colonels debattierten mit Vizepräsidenten der Uni, während wir die Soldaten beobachteten und Papiergranaten in deren Richtung schleuderten mit solch unmissverständlichen Botschaften wie »HUND«. Ich warf einige von ihnen rüber mit der vollen Überzeugung eines Siebzehnjährigen; wir alle fühlten uns wie Siebzehn.

Genau um fünf Uhr nachmittags gab jemand hinter den Jeeps den Befehl, uns zu vertreiben. Tränengasgranaten explodierten auf unserer Seite, und wir verließen unsere Stellung, liefen vorsichtig und langsam in kleinen Gruppen die Allee hinunter und duckten uns ins Gras, als die Jeeps losrollten und die Möbel zu Kleinholz machten. Die sogenannte Infanterie bewegte sich hinter ihnen wie ein vielbeiniges Insekt, das, plötzlich geweckt, seine Stachel zeigt. Wir stolperten, versammelten uns, liefen auseinander und kamen wieder zusammen. Ich ergriff Ninas Hand nach dem ersten Tränengaseinsatz und ließ sie nicht mehr los, bis wir den Rasen überquert hatten.

Wir versteckten uns in einem Schrank voller Reinigungsmittel im Verwaltungsgebäude, bis das Sirenengeheul aufhörte und die Luft wieder rein war. Wir sagten die ganze Zeit über kein Wort und litten unter dem Gestank und der Feuchtigkeit der Lappen und Feudel. Als wir rausgingen, entdeckten wir Ninas Vater, der wutentbrannt hinter einer Polizeikette am Eingang der Universität stand.

»Das ist meine Tochter«, schrie er einen Corporal an, der unsere Ausweise kontrollierte. »Sie hat mit dieser Sache nichts zu tun, das ist alles nur ein blöder Irrtum!«

Nina ließ zu, dass sie zum Familienauto geschleppt wurde, einem taubenblauen Mercedes, mit dem sie, wenn es spät geworden war, auch immer von der Uni abgeholt wurde.

»Soll ich dich ein Stück mitnehmen?«, fragte sie mich.

Ihr Vater zerrte sie ins Auto und schlug die Tür hint