Gibt es ›den‹ Feminismus überhaupt?
Von Gleichheits-, Differenz- und Post-Feminismus sowie anderen Ideen, die gemeinsam eine Bewegung bilden
Nein. ›Den‹ Feminismus gibt es nicht.
Das wusste ich aber noch nicht, als ich mit Anfang 20 während meines Germanistikstudiums auf die sogenannte feministische Linguistik stieß. Dass die Grenzen meiner Sprache auch die Grenzen meiner Welt bedeuten, das hatte ich bereits bei Ludwig Wittgenstein gelesen. Dass die deutsche Sprache mich als Frau an vielen Stellen unsichtbar macht – etwa dann, wenn von »Studenten« die Rede ist, ich als »Studentin« aber auch gemeint bin – und dass damit nicht nur meine eigene Welt begrenzt wird, sondern auch die aller anderen, das leuchtete mir ein. Ich sprühte in großen schwarzen Lettern »Frau« an die Außenwand meiner Studentinnenwohnung und begann, mit Sprache zu experimentieren. Die »Krankenschwesterin« sorgte für Lacher in Uniseminaren und öffnete mir die Tür zu Grundsatzdiskussionen über Geschlechtergerechtigkeit.
Heute, rund 25 Jahre nach Abschluss meines Studiums, hänge ich immer noch am Sichtbarmachen von Frauen in der Sprache. Es geht mir längst auch um mehr, um Gleichstellung in der Gesellschaft, in der privaten wie politischen Debatte: Und die ist in Bewegung. Auf Veranstaltungen zu diesem Buch vergleiche ich den Feminismus gerne mit der Donau. »Iller, Lech, Isar und Inn fließen rechts zur Donau hin« – den Spruch kenne ich noch aus meiner Grundschulzeit. Wie die Donau ruht auch der große feministische Strom niemals, wie sie wird er gespeist von vielen Zuflüssen, von Ideen und Beobachtungen, politischen Ereignissen und mutigen Taten. Als ich dieses Buch für die Erstauflage 2019 schrieb, war die Welt eine andere als heute: Angela Merkel hat die politische Bühne nach 16 Jahren Kanzlerinnenschaft verlassen. Das feministische Mindset von Außenministerin Annalena Baerbock prägt die Politik der Folgekoalition, die sich um die Pande