EINS
Als das Geld ausging, verkaufte Joyce die Gemälde, dann Vaters Silber, dann den Schmuck und die Kleider meiner Mutter und schließlich alles, was ich an Wertsachen besaß. Sie verkaufte und verkaufte, um ihre Feste und Ambitionen zu finanzieren. Verkaufte im Versuch, etwas von dem Ruhm zurückzugewinnen, der mit meinem Vater gestorben war.
Nun ist nichts mehr übrig.
Also verkauft sie heutemich an einen Ehemann.
Es wurde nicht offen ausgesprochen. Ich weiß es einfach. Ich weiß es schon über ein Jahr – ich spüre es, so wie ich einen aufziehenden Sturm spüren kann, wenn die Luft vor Erwartung knistert. Es begann mit kleinen Bemerkungen meiner Schwestern, Kleinigkeiten, hier und da. Und jedes Mal war es »unsinnig«, dass ich zwischen den Zeilen las.
Aber genau dort findet man doch die Wahrheit, im Ungesagten dazwischen.
Dann wurde es üblich, dass am Abendbrottisch vom Heiraten und von »passenden Arrangements für jemanden in meinem Alter« gesprochen wurde. Ich esse zu viel und tue zu wenig. Mich zu verheiraten, ist in geschäftlicher Hinsicht absolut sinnvoll, und Joyce ist vor allem eine Geschäftsfrau.
Die Gedanken sind so schwer und unausweichlich wie der Nebel, der über das hügelige Hochland zieht, das sich vom Anwesen meines Vaters bis hinunter zu den dichten Wäldern am Fuße des Schiefergebirges erstreckt. Seit Wochen schwebt diese Sorge über mir wie eine festhängende Wolke. Ich bewege Mistys Zügel. Sie schüttelt wiehernd den Kopf, und ich klopfe ihr den Hals. Sie kann meinen Unmut spüren.
»Ist schon gut«, versichere ich ihr. Aber ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, ob irgendetwas gut ist oder nicht. Heute wird Joyce den Mann treffen, der gegen Geld um meine Hand anhalten will. Alles steht und fällt mit den Gesprächen in einem Raum, zu dem ich keinen Zutritt habe. »Komm, Misty. Lass uns noch eine Runde durch den Wald reiten.«
Misty ist eine graue Stute, aber ich habe sie nicht nach ihrer Fellfarbe benannt. Sie wurde vor drei Jahren genau um diese Jahreszeit geboren, in den späten Herbstmonaten. Ich war die ganze Nacht bei ihrer Mutter im Stall geblieben und hatte auf sie gewartet, weil ich sichergehen wollte, dass ich der erste Mensch war, den sie sah.
Misty ist das Letzte, was ich von meinem Vater bekommen habe, ehe sein Schiff unterging.
Seitdem sind wir morgens unzertrennlich. Misty rennt mit einer Geschwindigkeit, dass es sich anfühlt, als würden meine Füße vom Boden abheben und ich mit den Vögeln durch die Lüfte sausen. Sie rennt, weil sie weiß, wie weh es tut, gefangen zu sein und tagtäglich eingeschirrt zu werden. Während wir über den nassen Untergrund fliegen und den Nebel wie ein Pfeil durchschneiden, denke ich nicht zum ersten Mal, dass wir vielleicht einfach immer weiterreiten sollten.
Vielleicht könnte ich uns beide befreien. Wir würden fortgehen … und nie mehr wiederkommen.
Wie aus dem Nichts tauchen die Bäume auf – eine dichte Reihe von Wächtern, mehr Mauer als Wald. Misty bäumt sich auf und wirft mich fast ab. Ich ziehe die Zügel an, kämpfe darum, die Kontrolle wiederzuerlangen. Dann traben wir an der Schwelle des dunklen Waldes entlang.
Mein Blick schweift suchend durch die Bäume, doch es gibt nicht viel zu sehen. Durch den Nebel und das dichte Blätterdach wirkt alles, was mehr als ein paar Schritte entfernt ist, pechschwarz. Mit leichtem Zug bringe ich Misty zum Stehen, um no