: F. Scott Fitzgerald
: Der große Gatsby Roman. Übersetzt von Bernhard Robben
: Manesse
: 9783641317232
: 1
: CHF 17.60
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: Erzählende Literatur
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Jahrhundertbuch wird 100! Erzählerisches Meisterwerk und die Great American Novel des 20. Jahrhunderts in Neuübersetzung als Jubiläumsausgabe mit 100-Jahre-Gatsby-Zeittafel'Hey, wennDer große Gatsbynicht großartig ist, was zum Teufel ist es dann?'Haruki Murakami

'Einer der wenigen klassischen amerikanischen Romane.'John Dos Passos

'Ein himmlisches Buch: die seltenste Sache auf Erden.'Jean Cocteau

'Alles daran ist meisterhaft.'Edith Wharton

'Ein so großartiges Buch.'Ernest Hemingway

Long Island in den Zwanzigerjahren: Altes Geld trifft auf neues Geld, Glamour auf Stil, Moral auf Amoral. Wer hier wohnt, hat es geschafft, so auch der aufstrebende Broker Nick Carraway. Schon bald hört er von einem mysteriösen Nachbarn, der in seiner Nobelresidenz die exzentrischsten Partys von ganz Long Island gibt. Bei Jay Gatsby tanzt die New Yorker Society ums goldene Kalb, und plötzlich ist Nick ein Teil davon. Ein wilder Reigen von Ekstase und Ernüchterung, Betörung und Überdruss, Gier und Verrat beginnt.

Von Bernhard Robben neu übersetzt, sorgfältig ediert und attraktiv inszeniert: Die Manesse-Jubiläumsausgabe erzählt die spannende Geschichte eines Bestsellers, der erst einmal partout keiner sein wollte. Mit 100-Jahre-Gatsby-Zeittafel, Briefen sowie prominenten Stimmen zum Werk und Rezensionen kann dieser Klassiker nun nicht nur von Klassik-Aficionados (wieder)entdeckt werden.

'Niemand wird Amerika je gänzlich kennen, denke ich, da niemand je Gatsby kannte.'Jack Kerouac

'Der Roman eines Genius ... Nach einem Dreivierteljahrhundert hat sichDer große Gatsbynoch immer seine Frische bewahrt.'Harold Bloom

Francis Scott Fitzgerald (1896-1940), geboren in St. Paul, Minnesota, ging nach seinem Studium in Princeton als Reporter nach New York. Sein erster Roman 'This Side of Paradise', erschienen 1920, brachte ihm schnellen Ruhm und plötzlichen Reichtum. Zwei Jahre später erschien seine Kurzgeschichtensammlung 'Tales of the Jazz Age', mit der er den ausgelassenen 1920er Jahren ihren Namen gab. Eine ganze Generation erkannte sich in seinen Figuren wieder. Fitzgerald war jedoch nicht nur der Chronist, sondern auch selbst die Hauptfigur der endlosen, verschwenderischen Parties des Jazz-Zeitalters. Gemeinsam mit seiner Frau Zelda inszenierte er sich als charmanter, mondäner Weltenbummler und extravaganter Lebemann; die Ausschweifungen des Paares füllten die New Yorker Klatschblätter.

Dieses Leben forderte jedoch seinen Tribut: Zelda erlitt 1930 einen Nervenzusammenbruch und wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen; Scott verfiel zusehends seiner Alkoholsucht. Seine Veröffentlichungen in den 1930er Jahren konnten an die großen Erfolge nicht mehr anknüpfen. Die letzten drei Jahre seines Lebens verbrachte er als Drehbuchautor in Hollywood. Finanziell und gesundheitlich ruiniert, starb Fitzgerald im Alter von nur 44 Jahren an Herzversagen.

Kapitel I

In meinen jüngeren und empfindsameren Jahren gab mir mein Vater einen Rat, der mir seither im Kopf herumgeht.

«Wenn du meinst, jemanden kritisieren zu müssen», sagte er, «so denk daran, dass nicht alle Menschen auf der Welt dieselben Vorteile hatten wie du.»

Mehr hat er nicht gesagt, doch haben wir uns auf eine reservierte Weise stets gut verstanden, weshalb ich wusste, dass weit mehr damit gemeint war. Seither neige ich folglich dazu, mich jeglichen Urteils zu enthalten, eine Angewohnheit, dank der sich mir viele seltsame Charaktere anvertrauten, die mich allerdings auch zum Opfer manch eines ausgemachten Langweilers werden ließ. Findet sich diese Eigenheit in gewöhnlichen Menschen, wird sie vom ungewöhnlichen Geist gleich entdeckt und vereinnahmt, weshalb mir im College ungerechterweise vorgeworfen wurde, allzu diplomatisch zu sein, besaß ich doch Kenntnis von den geheimen Nöten ungestümer, mir ansonsten unbekannter Menschen. Dabei hatte ich das mir derart Anvertraute meist gar nicht wissen wollen – hatte mich oft schlafend gestellt, beschäftigt getan oder eine abweisende Unbekümmertheit an den Tag gelegt, sobald unfehlbare Anzeichen verrieten, dass am Horizont ein vertrauliches Geständnis drohte, denn eben diese vertraulichen Geständnisse junger Menschen oder doch die Umstände, unter denen sie geäußert werden, sind meist wenig originell und von offenkundig Unterdrücktem entstellt. Solange man sich des Urteils enthält, gibt es stets Hoffnung. Ich fürchte immer noch ein wenig, etwas zu verpassen, falls ich vergesse, was mein Vater einst so hochmütig andeutete und was ich hier ebenso hochmütig wiederhole, dass nämlich der Sinn für fundamentalen Anstand bei der Geburt sehr ungleich verteilt wird.

Nachdem ich solcherart meine Toleranz gerühmt habe, muss ich bekennen, dass sie ihre Grenzen hat. Mag das Benehmen auf festem Fels oder matschigem Sumpf gründen, ab einem gewissen Punkt ist mir egal, worauf es ruht. Als ich letzten Herbst aus dem Osten zurückkehrte, empfand ich den Wunsch, die Welt möge Uniform tragen und gleichsam auf alle Zeit moralisch strammstehen; ich wollte keine weiteren wilden Exkurse mit privilegierten Einsichten ins menschliche Herz. Nur Gatsby, jener Mann, nach dem dieses Buch benannt ist, blieb davon ausgenommen – Gatsby, der für alles stand, wofür ich freimütige Verachtung hegte. Sofern die Persönlichkeit eine ungebrochene Abfolge stimmiger Gebärden ist, verkörperte er etwas Hinreißendes, eine gesteigerte Empfindsamkeit für die Verheißungen des Lebens, fast als wäre er mit einer jener komplizierten Apparaturen verwandt, die Erdbeben aus tausend Meilen Entfernung registrieren. Dieses Feingefühl hatte nichts mit jener schwammigen Beeindruckbarkeit gemein, die sich als «kreativer Geist» selbstbeweihräuchert – sie ist vielmehr eine außergewöhnliche Gabe der Hoffnung, eine romantische Bereitschaft, wie ich sie bei keinem anderen Menschen kenne und vermutlich auch in keinem anderen je wieder antreffen werde. Nein – an Gatsby war letztlich nichts auszusetzen; vielmehr war es, was Gatsby plagte, dieser stickige Staub, der im Gefolge seiner Träume aufgewirbelt wurde und mein Interesse am fruchtlosen Leid und den kurzlebigen Freuden der Menschen zeitweilig erstickte.

Seit drei Generationen schon ist meine angesehene, wohlhabende Familie in dieser Stadt des Mittleren Westens ansässig. Die Carraways sind so etwas wie ein Clan und stammen, einer Überlieferung zufolge, von den Dukes of Buccleuch ab;2 der eigentliche Begründer meines Familienzweigs aber war der Bruder meines Großvaters, der 1851 dort hinkam, einen Stellvertreter in den Bürgerkrieg schickte3 und jenes Eisenwarengeschäft gründete, das mein Vater noch heute führt.

Ich habe diesen Großonkel nie kennengelernt, sehe ihm aber offenbar ähnlich – zumindest dem recht schonungslosen Porträt zufolge, das im Büro meines Vaters hängt. Meinen Abschluss habe ich 1915 in New Haven gemacht,4 exakt ein Vierteljahrhundert nach meinem Vater, und bald darauf nahm ich an jener verspätet einsetzenden teutonischen Wanderung teil, die als der Große Krieg bekannt wurde.5 Ich schätzte unsere Gegenoffensive6 so sehr, dass ich als rastloser Mensch zurückkehrte – also entschied ich, nach Osten zu gehen und das Aktien- und Anleihegeschäft zu erlernen. Jeder, den ich kannte, war im Aktiengeschäft, weshalb ich annahm, dass es noch einen weiteren alleinstehenden Menschen ernähren konnte. All meine Tanten und Onkel erörterten meinen Entschluss, als ginge es darum, die richtige Grundschule für mich zu finden, um dann mit gewichtiger Miene, aber in zögerlichem Ton zu verkünden: «Tja, warum eigentlich nicht?» Vater willigte ein, ein Jahr lang für mich aufzukommen, und nach diversen Verzögerungen reiste ich im Frühjahr zwe