: Julie Clark
: Die unsichtbare Hand Roman - Der heiß ersehnte neue Roman der Nr.-1-SPIEGEL-Bestsellerautorin
: Heyne
: 9783641329693
: 1
: CHF 12.60
:
: Spannung
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Trügerische Erinnerung, tödliche Familienbande
Kalifornien, Sommer 1975: Die Kleinstadt Ojai wird von einem grausamen Doppelmord erschüttert: Die 14-jährige Poppy und der 17-jährige Danny werden erstochen in ihrem Elternhaus aufgefunden. Ein ungeheuerlicher Verdacht macht die Runde: Wurden die beiden von ihrem eigenen Bruder getötet?

Kalifornien, 2024: Ghostwriterin Olivia Dumont erhält einen Auftrag, den sie am liebsten ablehnen würde. Sie soll ein Buch für ihren Vater schreiben, den gefeierten Schriftsteller Vincent Taylor. Und dabei das fast fünfzig Jahre alte Verbrechen aufklären, das sie schon ihr Leben lang beschäftigt hat. Eigentlich will Olivia mit ihrem Vater nichts mehr zu tun haben. Doch um das dunkelste Geheimnis ihrer Familie aufzuklären, muss sie ihn dazu bringen, sein Schweigen zu brechen.

Julie Clark wuchs in Santa Monica auf. Während sich ihre Freunde auf Surfbrettern in die Wellen stürzten, las sie lieber Bücher am Strand. Nach dem Studium arbeitete sie in Berkeley an der University of California. Dann kehrte sie zurück nach Santa Monica, wo sie heute mit ihren beiden Söhnen und einem Goldendoodle lebt und als Lehrerin tätig ist. Mit 'Der Tausch' und 'Der Plan' eroberte sie die SPIEGEL-Bestsellerliste und stand wochenlang auf Platz 1.

VORWORT

»Ich weiß, was dein Dad getan hat.«

Es war das Jahr, in dem ich zehn Jahre alt geworden war, und einer meiner Klassenkameraden hatte sich neben mich auf die Bank gesetzt und flüsterte aufgeregt in mein Ohr.

Ich legte mein Bologna-Sandwich auf den Tisch. »Er hat ein Buch geschrieben«, sagte ich. Der kometenhafte Aufstieg meines Vaters als Schriftsteller begeisterte mich nicht unbedingt. Seither sprach er lauter. Er trank mehr als sonst – und er hatte ohnehin schon eine Menge getrunken –, war häufig auf Reisen und ließ mich mit seiner Assistentin Melinda allein, einer jungen Frau, die mittlerweile einen eigenen Schlüssel zu unserem Haus besaß. Und die mir erzählte, mein Vater sei zu beschäftigt, um meine Mathearbeit zu unterschreiben oder mit mir Vokabeln zu lernen.

Der Erfolg meines Vaters hatte dafür gesorgt, dass die Literaturszene auf ihn aufmerksam wurde – in den Buchhandlungen standen seine Bücher direkt neben denen von Stephen King, und in manchen Wochen übertraf er sogar dessen Verkaufszahlen. Sein Erfolg war auch in Ojai nicht unbemerkt geblieben und hatte Erinnerungen geweckt. Das Getuschel wurde schließlich so nachdrücklich, dass es sogar den Kids auffiel.

Der Junge, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere, schüttelte den Kopf, und seine Augen glitzerten vor Schadenfreude, weil er derjenige war, der es mir sagte. Der genau dort, in der Cafeteria der Schule, mein Recht auf eine unbeschwerte Kindheit zerstörte. »Dein Dad hat seinen Bruder und seine Schwester umgebracht. Er hat sie zu Hause ermordet.«

»Du lügst«, gab ich zurück. »Du bist ja bloß neidisch.«

Doch als die Kinder um uns herum völlig anders reagierten, als ich erwartet hatte, kamen mir Zweifel an meinen eigenen Worten. Denn in ihren Mienen spiegelte sich keine Spur herablassender Skepsis, sondern nur stummes Entsetzen darüber, dass dieser Junge sich tatsächlich getraut hatte, laut auszusprechen, was alle anderen bereits wussten.

So fing alles an. Auf diese Weise entdeckte ich das dunkle Geheimnis im Zentrum meiner Familie.

Von diesem Moment an wurde der Mord an Danny und Poppy Taylor zu einer Geschichte, die man sich heimlich auf Pyjamapartys erzählte, während man Ouija spielte und um Mitternacht der Geist der Bloody Mary im Spiegel erschien. Zwei Kinder, genauso alt wie wir, die 1975 erstochen worden waren, während die ganze Stadt den offiziellen Beginn des Sommers beim jährlichen Ojai-Festival feierte, nur hundert Meter vom Haus der beiden entfernt.

Alle in meiner Klasse kannten bald sämtliche Details dieser Geschichte, obwohl Danny und Poppy zu diesem Zeitpunkt bereits seit über fünfzehn Jahren tot waren. Wie Poppy eigentlich ihre beste Freundin am Tilt-A-Whirl treffen wollte und vorher rasch nach Hause gegangen war, um sich einen Pullover zu holen. Wie man sie in einen Hinterhalt gelockt und in ihrem Schlafzimmer umgebracht hatte. Wie ihr älterer Bruder Danny, der herbeieilte, um sie zu retten, im Flur ermordet worden war, nur ein paar Schritte von seiner Schwester entfernt.

Meine Mitschüler kramten alte Zeitungsausschnitte aus den Schränken hervor und reichten sie in der Pause wie Schmuggelware herum. Die Klassenfotos der beiden wurden eingehend studiert. Die zierliche Poppy mit dem gewellten Haar, das aussah, als würde es rasch zerzausen, ihre sommersprossigen Wangen. Dannys Gesicht, erleuchtet von unerfülltem Potenzial, sein breites Lächeln ein niemals eingelöstes Versprechen.

Sie sprachen