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Der beste Teil des Sommers begann für Thea in der zweiten Juniwoche. Der letzte Schultag bekam ein großes rotes Herz – jetzt konnte sie nach Herzenslust im Pool im Garten herumplanschen und schwimmen. Sie konnte Fahrrad fahren und jeden Tag mit ihren Freunden spielen. Allerdings nannten sie es nicht mehr spielen: Jetzt hingen sie ab.
Schließlich war sie schon zwölf.
Sie liebte Barbecues, und vor allem liebte sie es, keine Hausaufgaben machen zu müssen.
Aber jedes Jahr, ungefähr eine Woche nach dem Tag mit dem großen roten Herz, quetschte sie sich mit ihrer Mutter, ihrem Vater, ihrem kleinen Bruder Rem und dem Familienhund Kakao ins Auto, bevor es auf die lange Fahrt von Fredericksburg, Virginia, nach Redbud Hollow, Kentucky, ging.
Ihre Mom kam von dort, war aber in Virginia aufs College gegangen und hatte hier am allerersten Tag in ihrem allerersten Kurs John Fox kennengelernt.
Und der Rest, wie sie immer sagten – oder wie ihr Vater sagte –, war Geschichte.
Sie heirateten im Sommer nach ihrem Sophomore Year, und zehn Monate, zwei Wochen und drei Tage danach kam sie zur Welt. Nicht ganz zwei Jahre später wurde Rem geboren.
Mittlerweile entwarf ihr Vater Häuser, und ihre Mutter richtete sie ein. Ihr Unternehmen, Fox & Fox Homes, lief gut.
Sie wusste vieles. Erwachsene dachten immer, Kinder wüssten nichts von Bedeutung, aber auf sie traf das nicht zu. Sie wusste, dass ihre Großeltern väterlicherseits reich und eingebildet waren, weshalb sie nicht viel von ihrer Mom hielten, dem Mädchen aus dem Osten Kentuckys.
Aber die Eltern ihres Dads lebten in San Diego, deshalb brauchten sie nicht so oft dorthin zu fahren. Für Thea war das in Ordnung. So brauchte sie auch nicht die Gedanken ihrer Großmutter – so mussten sie sie nennen – zu hören, dass Mom zu laut lachte oder nie etwas anderes als ein Bauerntrampel sein würde.
Wenn sie sich nur genügend konzentrierte, konnte sie diese Gedanken hören, und das ließ sich anscheinend nicht vermeiden, wenn sie Großmutter besuchen mussten.
Sie dachte solaut.
Großmutter und Großvater schien es völlig egal zu sein, dass John und Cora Fox glücklich und sogar erfolgreich waren. Dass sie in einem hübschen Haus in einer netten Gegend wohnten. Dass Thea und Rem (oder Althea und Remington, wie sie beharrlich sagten) beide ausgesprochen gut in der Schule waren.
Aber Grammie war es nicht egal. Sie telefonierten jeden Sonntag miteinander, und in der Weihnachtszeit kam Grammie mit ihrem Lieferwagen voller selbst gemachter Geschenke angefahren. Meistens waren auch ihre Onkel Waylon und Caleb mit von der Partie, sodass es ein großes Familienfest gab. Das Haus war dann immer voller Musik, Lichter und dem Duft nach Selbstgebackenem.
Das war Theas zweitliebste Zeit im Jahr.
Die beste Zeit jedoch, obwohl sie sieben volle Stunden und manchmal sogar noch länger fahren mussten, begann im Juni.