: Shannon Evans
: Mystikerinnen: Auf ein Wort! Über sechs Frauen, die Gott erfahren und eine moderne Spiritualität gefunden haben
: Kösel
: 9783641328559
: 1
: CHF 11.30
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: Christliche Religionen
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Entdecke das Empowerment radikaler Mystikerinnen
Gibt es eine christliche Spiritualität, die die ganze Realität des Frauseins abbildet?

Wohl eher nicht, ertappt man sich beim reflexartigen Antworten. Shannon K. Evans hält dagegen. Im Christentum ist eine dezidiert weibliche Spiritualität beheimatet, die so aktuell ist wie eh und je und die von Frauen gefühlt und gelebt wurde, die lange vor uns da waren -Teresa von Ávila, Margery Kempe, Hildegard von Bingen, Juliana von Norwich, Katharina von Siena und Thérèse von Lisieux.Diese sechs Mystikerinnen offenbaren einen Glauben, der alle Erfahrungen von Weiblichkeit umfasst: Begehren, Lust und Sex; das Verlangen nach körperlicher Selbstbestimmung; die Herausforderungen von Mutterschaft; Gewalterfahrungen; der Kampf um Freiheit und Identität unter jahrhundertelanger männlicher Vorherrschaft.Diese sechs Frauen - selbstbestimmt, durchsetzungsstark und vor allem durch und durch sie selbst - stellten in ihrer jeweiligen Zeit Fragen, die heute erstaunlich aktuell sind. Sie kämpften damals dafür, dass die Belange von Frauen gehört, anerkannt, respektiert werden. Denn letztendlich sind weibliche Erfahrungen heilige Erfahrungen und das verdient Anerkennung. Mystikerinnen: Auf ein Wort!In diesem Buch entdeckt jede Frau kraftvolle spirituelle Impulse für ihr persönliches Leben.

Shannon K. Evansist Redakteurin für Spiritualität und Kultur beimNational Catholic Reporterund leitet Workshops und Retreats zu den Themen Ökofeminismus, Kontemplation und sozialer Wandel. Sie arbeitet eng mit den Jesuiten in Kanada und den USA zusammen, auch für Franziskanische Medien arbeitet sie häufig.Mystikerinnen: Auf ein Wortist ihr drittes Buch. Shannon K. Evans lebt mit ihrer Familie und ihren Hühnern in Iowa.

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Selbstvertrauen macht dich nicht zum Ketzer


In meiner Brust zog sich etwas zusammen, als ich diesen Kommentar las. Es war mir zwar schonöfter passiert, dass ich auf Instagram von Fundamentalisten kritisiert wurde, doch haben sie in den meisten Fällen zumindest versucht, einen Anschein von Höflichkeit zu wahren. Doch hier fuhr eine Frau so richtig ihre Klauen aus.»Hör auf, so zu tun, als seist du Christin«, kanzelte sie mich in ihrer Antwort auf einen meiner Posts ab.»Du täuschst die Leute ganz bewusst. Aber wir alle wissen nur zu gut, dass du eine Wicca bist.«

Spoileralarm: Liebe Leserinnen, liebe Leser, ich bin keine Wicca. Ich glaube sogar, dass ich nicht einmal Leute kenne, die einer Wicca-Tradition angehören. Mein gesamtes Wissenüber Wicca stammt aus der FernsehserieBuffy– Im Bann der Dämonen, wo es eine Wicca namens Willow gibt. Als Teenager habe ich mir das gerne angeschaut, meine Kenntnisse sind also eher lückenhaft, dafür aber mit einer Portion Humor gewürzt.

Und doch bekam ich in diesem Moment Herzrasen und meine Wangen brannten, als hätte mich jemand bei etwas Verbotenem ertappt. Ich fühlte mich an den Pranger gestellt und sehr verletzlich. Nicht etwa, weil man mich mit Fug und Recht als Heidin entlarvt hatte, sondern weil die Diagnose der Dame zwar falsch war, aber nichtsdestotrotz ein Körnchen Wahrheit enthielt: Ich hatte gegen die für christliche Weiblichkeit geltenden Gesetze verstoßen.

Mein Vergehen? Ich hatte eine Bemerkung gepostet, die den wilden, rohen, hungrigen Geistern in der weiblichen Psyche Ausdruck verlieh, jenen Orten in uns, an denen wir die Macht der inneren Mysterien bewundern und manchmal auch fürchten. Mein Post endete mit dem Satz:»Wir werden uns nie mit einem kleinen Gott zufriedengeben, mit einer winzigen inneren Flamme. Wir wissen, dass in unseren Körpern mehr steckt.«

Es war ganz einfach ein Appell, auf die tiefsten Regungen in unserem Inneren zu hören und sie zu würdigen. Aber die Aussicht auf Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, auf den Wunsch nach einem ungezähmten Leben, verstörte diese Frau. Und sie ließ den Schauer ihrerÄngste auf mich niedergehen, eine eher konfliktscheue Person, die mit so etwas nicht wirklich umgehen konnte. Dabei ging es gar nicht um mich. Es ging um ihr Bewusstsein, um ihre eingesperrten Ansichten, die miteinander im Clinch lagen. Hinter den Gittern des Patriarchats können Frauen ganz schön angriffslustig werden, wenn sie frei umherschweifende Artgenossinnen erspähen.

Natürlich ist dies ein ziemlich extremes Beispiel. Die meisten Frauen hinterlassen keine Hassbotschaften unter den Social-Media-Posts anderer Frauen. (Wenn du das machst… bitte lass es.) Die meisten von uns führen diesen Kampf im Inneren. Erkennen wir das Grummeln im Bauch oder lesen wir weiter von dem Skript ab, das man uns in die Hand gedrückt hat?

Viel zu oft fühlen sich bestimmte Themen im Raum unseres Glaubens deplatziert an, während umgekehrt unser Glaube in manchen Bereichen wichtiger sozialer Kritik Anstoß erregt. Wenn ich zum Beispiel sage, dass ich Christin und Feministin bin, dann schreckt das Feministische die Christen ab und das Christliche die Feministen. Wie viele Frauen von heute habe ich den Druck verspürt, mich zwischen der Treue zu meiner Religion und progressivem Denken entscheiden zu müssen. Ein Punkt, an dem ich schon einmal gestanden bin– und zu dem zurückzukehren ich nicht die Absicht habe.

Vor einigen Jahren schrieb ich für ein bekanntes katholisches Frauenwerk, wo ich mich zugehörig und in Freundschaft angenommen fühlte, gefeierte Beiträge. Gemeinschaft war immer schon ein bedeutender Teil meines spirituellen Lebens, und die Frauen, die dort aktiv waren, waren damals meine wichtigste Gemeinde. Sie repräsentierten ein breites Spektrum sozialer, politischer und theologischerÜberzeugungen, aber ihreübergreifende Identität war konservativer als die meine. Und doch war ichüberzeugt, dass ich bei ihnen meinen Platz gefunden hatte, vor allem, weil meine Artikel ja so gut ankamen. Also zensierte ich meine eher kontroversen Meinungen undÜberzeugungen, um dazuzugehören. Schlimmer noch: Ich ließ mich auf mentale Verrenkungen ein und bei bestimmten Dingen, die dort gesagt, getan und gelehrt wurden, belog ich mich selbst. Ich verspürte in mir nicht die Erlaubnis, mir selbst zu vertrauen, meinem Gewissen oder der Art, wie ich den Geist in mir verstand. Also hörte ich auf andere.

Ich erwachte nur sehr langsam. In meinem Privatleben kamen Prüfungen auf mich zu, die mich zwangen, mich ehrlich damit auseinanderzusetzen, wie sehr ich mich von meinem authentischen Selbst entfernt hatte. Dadurch fand ich den Mut, auf meine Instinkte und meine innere Stimme zu hören. Ich packte immer wieder mal ein bisschen Kritik am Patriarchat in meine Artikel und trat für Führungspositionen von Frauen in religiösen Institutionen ein, ja selbst für die Priesterinnenweihe. Ich kritisierte Politiker, die Kirche und Staat vermischten, um sich persönliche Vorteile zu verschaffen. Und ich sprach offenüber meine Vorliebe für Yoga und das Enneagramm. Obwohl ich diese Ansichten nur in meinem persönlichen Blog und auf meinen Social-Media-Accountsäußerte, begann mein Status im Frauenwerk zu bröckeln. Langjährige Leser beschwerten sichüber mich, was ich ebenso demütigend wie empörend fand. Ein Priester und ein Bischof arbeiteten mit vereinten Kräften darauf hin, mich mundtot zu machen. D